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Keine Konkurrenz?

Als Moderator kennt er beide Seiten, wechselte von Viva zu MTV: Markus Kavka über feine Unterschiede, harte Tatsachen und andere Baustellen

taz: Harte Musik hat’s schwer in den Medien. Warum?

Markus Kavka: Alternative Indie- oder Metalbands steigen meistens relativ hoch in die Charts ein, zwischen Platz 30 und 40. In der Woche darauf geht die Platte dreißig Plätze runter – und dann ist sie wieder raus. Das liegt daran, dass die Fans losziehen, die Platten kaufen – und danach ist der Fall auch schon erledigt. Allerdings ist im Moment wieder mal eine Gegenbewegung zu sehen, gegen die vorherrschende elektronische, weiche, Großraumtechno-Europop-Musik. Sowas gab’s immer, wie Punk in den Siebzigern etwa eine Gegenreaktion gegen den Weichspüler-Pop eines Barry Manilow war. In den Achtzigern ging’s gegen seichten Aristokratenpop. Und in den Neunzigern war es so, dass abhangene Superstars Chart-Erfolge eingefahren haben – und dann bekamen sie Techno vor die Nase gesetzt.

Metal also als institutionaliserter „Backlash“?

Metal funktioniert, weil es eine Gegenkultur ist und von den Leuten auch als solche begriffen wird. Deshalb wird die Relevanz solcher Bands nicht analog in den kommerziellen Musikmedien wiedergegeben: Das würde das Ganze ja ad absurdum führen.

Aber du moderierst doch eine MTV-Sendung, die sich ausschließlich mit mit harter Kost beschäftigt. Wie geht das zusammen?

Kaum. Fans von wie Projekt Pitchfork oder Jimmy Eat World haben sich bei mir schon per E-Mail beschwert, dass ich ihre Musik überhaupt spiele. Die Diskussion auf dem Panel ist ja in erster Linie initiiert von Leuten, die natürlich mehr Geld verdienen wollen.

Was muss stimmen, damit ein Clip in die Rotation kommt?

Plattenfirmen schicken regelmäßig ihre Neuveröffentlichung, in der Woche sind das bis zu sechzig Stück. Wir achten dabei in erster Linie auf den Song. Es darf aber kein Bild à la „Lindenstraße“ sein. Obwohl wir auch verfremdete Clips senden oder solche, die auf Super 8 gedreht wurden, da kommt es ganz auf die Umsetzung, auf die Idee an. Solange ein Video einigermaßen sendbar ist, wird es auch gesendet, wenn der Song okay ist.

Du bestimmst also keine Sehgewohnheiten?

Diese viel beschworene Ästhetik hat sich ergeben, da stellen sich eben irgendwann gewisse Standards ein. Die Kollegen von MTV Asia etwa spielt grundsätzlich keine 16-mm-Videos, weil die eine Beta-Ästhetik haben, billiger aussehen. Bei uns laufen aber in der Tagesrotation Clips, die 10.000 Mark gekosten haben – oder eine Million Dollar.

MTV war, noch vor CNN, der erste wirklich weltweite Sender. Arbeitest du bei einem „Global Player“?

Es ist schon ein bisschen so. Ich kann das Programm der Kollegen nicht sehen, man lernt sie auch selten kennen. Aber hier läuft alles zusammen, wir kriegen News und Beiträge etwa aus Asien, die wir dann verwenden können. MTV ist eine weltweit operierende Firma, die sich in jedem Land das Gleiche auf die Fahne geschrieben hat.

Und wenn man das mit Viva vergleicht . . .

. . . merkt man auf jeden Fall, dass das hier schon eine andere Baustelle ist.

Woran zum Beispiel?

Wenn man sich die letzten Untersuchungen glauben darf, dann ist das Publikum bei MTV im Schnitt sogar jünger, es herrscht eine andere Klangfarbe. Es gibt etliche Sachen auf Viva, die bei uns grundsätzlich nicht gespielt werden. Plastik-Großraum-Techno-Pop machen die, seit’s den Laden gibt, das ist Viva-Domäne und funktioniert prima.

Was ist denn die Domäne von MTV?

Wir wollen langsam wieder einen eigenen MTV-Style kreieren und nicht mehr gucken, was der große Konkurrent macht. Der deutsche Markt verträgt zwei Musiksender. Viva hat sehr lange davon gezehrt, auf Deutsch senden zu können. Als MTV damit angefangen hat, da war’s ja in weiten Teilen eine billige Viva-Kopie.

Kann mediale Vermittlung von Musik überhaupt mehr sein als nur PR?

Sollte es sein, ja. Wenn eine Plattenfirma ein Video herausbringt, dann kann sie sich den Sender aussuchen – da werden wir schon mal gegeneinander ausgespielt. In Genre-Sendungen wie „Fett“ oder Spin“, die weniger mit Tagesrotation zu tun haben, da sind Firmen wie Sender mit Leidenschaft bei der Sache, da wird ein gewisser Kulturauftrag schon wahrgenommen.

Viva und MTV sind also komplementäre Sender, keine Konkurrenten?

Da ich auf beiden Seiten war, kann ich zustimmen. Sie können beide existieren, beide haben ihre Berechtigung. Und das hält das Ganze einigermaßen in Bewegung und spannend.

Würde dich nicht auch mal eine Talkshow reizen? Wie „Unter Ulmen“ oder der neue „MTV Lesezirkel“ mit Stuckrad-Barre?

Meine Genre-Sendungen kommen dem ziemlich nahe. Da sind Bands zum Interview, der Wortanteil liegt bei 50 Prozent. Ansonsten habe ich auch schon über ein reines Talkformat nachgedacht. Doch im Moment habe ich einfach noch genug über Musik zu erzählen. Deswegen habe ich’s nicht so eilig.

Du bleibst also bei deinem Leisten?

Ich bin halt Musikjournalist, habe fürs Radio und für Print gearbeitet. Dass ich im Fernsehen bin, ist eher ein Unfall. Den gleichen Gedanken will ich hier bei MTV weiterführen.

Welchen Gedanken?

Dass es um Informationen geht und nicht um irgendwelche Hipsterscheiße.

Gutes Stichwort. Bist du zufrieden mit dem Programm der diesjährigen Popkomm?

Ich finde es sehr schade, dass es in diesem Jahr keine Kick Zone gibt – das war immer meine Lieblingsveranstaltung auf der Popkomm. Überhaupt bin ich ein bisschen enttäuscht, was das Aufgebot an vernünftiger elektronischer Musik angeht. Alle Welt hat darüber gesprochen – dann kommt die Popkomm und es wird wieder in die Gitarren gedroschen.

INTERVIEW: ARNO FRANK

„Ende der Stiefmütterchenzeiten. Alles was kracht, geht steil“. Panel am Donnerstag, 17 Uhr, Sektion 2

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