piwik no script img

press-schlagTomás Rosicky und die Grenzen der Loyalität zu Schalke 04

Dortmunder raus aus Kreuzberg!

Vielleicht war das doch eine Schnapsidee, den dritten Spieltag in der Hauskneipe zu gucken! Wo ich doch weiß, warum der beste Freund und Schalke-Fan (der im Vorderhaus in einer amtlichen Bürgerwohnung residiert, während ich die dunklen Dienstbotenzimmer im Hinterhaus verwohne) dort nur äußerst selten die Decoder-Vorteile nutzt: „Ich hasse die alle“, sagt er immer und meint natürlich die Dortmund-Fans. Die sich ein Loch in ihre biergefüllten Bäuche freuen nach dem 4:0 gegen Wolfsburg, und „der ist doch süß, findste nicht?“, fragt mich der Stammkneipenwirt auch noch frech angesichts des ersten Bundesliga-Tores von Tomás Rosicky. Kann ja sein, dass der süß ist, aber in erster Linie ist er immer noch Dortmunder! Und ich bin meinen Freunden gegenüber loyal, da kann der blutjunge Tscheche noch so sympathisch über sein schönes Tor grienen.

„Für uns ist das ja ganz gut“, grient auch Kollege Wirt über den späteren „ran“-Termin und den Rechte-Wiggel, „jetzt ist es hier an den ersten Spieltagen immer schon so voll wie am Saisonende“. In der Halbzeitpause kommt ein Kamerateam von Arte in die Hauskneipe und filmt in der Gegend herum, ich versuche, mich zwischen tätowierten Oberarmen zu verstecken, damit ich nicht in irgendeinem atmosphärischen „Fußball gehört zur Lebenskultur“-Beitrag mit französischen Untertiteln auftauche, nichts gegen Arte, aber dort will ich lieber Dokumentarfilme über Polygamie und multiple Persönlichkeiten sehen.

Ein fremder Mann neben mir prostet Monika Lierhaus zu, die sich immer noch die erste Halbzeit analysieren lässt, und ich frage mich warum: Kennt er das Gerücht, Frau Lierhaus sei früher Ulrike Jokiel gewesen und „sogar nachts aufgestanden“, um sich Joghurtleichtigkeit reinzustopfen? Ich komme nicht dazu, ihn zu fragen, denn Bayern trifft zum Ausgleich gegen Leverkusen, und die gute Stimmung kippt wieder. Mag sein, dass sich Dortmund-Fans in Kreuzberg finden, Bayern-Fans wagen sich glücklicherweise noch nicht hierher.

Zu Hause ertappe ich mich dabei, im vom besten Freund geliehenen Kicker-Sonderheft (mit einem Mpenza-trifft-gegen-Kaiserslautern-Wackelbild auf dem Cover) heimlich nachzugucken, wie alt Rosicky ist. 1980 geboren. Schätze, wenn das ein Brigitte-Bundesliga-Sonderheft wäre, dann stünde da außer Name, Alter, Größe, Gewicht, Vereine und Tore auch noch, ob er eine Freundin hat und welches Sternzeichen er ist. Ein Glück, das bleibt uns erspart.JENNI ZYLKA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen