: Peres klebt an seinem Stuhl
Obwohl er gegenteiliger Meinung ist wie Israels Regierungschef bleibt der Außenminister im Amt. Dabei war noch am Morgen mit seinem Rücktritt gerechnet worden. Premier Scharon will das palästinensische Orient-Haus für immer geschlossen halten
Aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Mit Plakaten, die Israels Außenminister Schimon Peres den Tod wünschten, demonstrierten rechte Aktivisten gestern vor dem Regierungssitz. Premierminister Ariel Scharon verurteilte die Demonstranten, ungeachtet des erregten Streitgespräches, zu dem es zwischen den beiden Politikern im Verlauf der Regierungssitzung gekommen war.
Während Peres auf eine sofortige Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Palästinensern drängt, hält Scharon weiterhin an seinem „Mantra“ fest: „Keine Gespräche, solange die Gewalt andauert“. Peres hatte zudem die militärische Besetzung des ostjerusalemer Orient-Hauses verurteilt. Es sei „alles eine Frage der Proportion – genau wie ein normaler Mensch Kopfschmerzen behandelt: Eine Tablette hilft, mit 100 begeht man Selbstmord.“
Peres und Scharon trafen im Anschluss an die Kabinettssitzung erneut zu einem zweistündigen Gespräch zusammen, das von beiden als „gut“ bezeichnetwurde. Noch am Morgen hatten politische Beobachter einen Rücktritt von Peres nicht für ausgeschlossen gehalten. „So kann es nicht weitergehen“, zitierte der Radiosender „Stimme Israels“ Peres nach der Regierungssitzung. Der Außenminister steht unter starkem Druck der eigenen Partei, die mehrheitlich gegen die Schließung des Orient-Hauses ist. Am Nachmittag sprach Peres vor dem Parteitag. Das Wichtigste sei jetzt, „wie wir eine Feuerpause erreichen können“, erklärte er. Ohne Waffenstillstand sei eine Fortsetzung der Verhandlungen schwierig. Entschieden sprach er sich für Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung aus und warnte: „Es ist nicht schwer, alle Palästinenser zu Fundamentalisten zu machen.“ Israel müsse sich entscheiden, mit wem es Verhandlungen führen will.
Die Straße, in dem das Orient-Haus steht, blieb gestern abgesperrt. Am Morgen hielten Aktivisten der israelischen Friedensgruppe „Gusch Schalom“ eine Solidaritätskundgebung für die Palästinenser ab. Gegen Mittag kam eine Gruppe rechtsgerichteter Israelis, die vor dem Orient-Haus die Schließung feiern wollten. Sie wurden jedoch von Sicherheitsbeamten aufgehalten. Büros und Läden in der Straße mussten geschlossen bleiben. Bereits am Wochenende hatte Scharon erklärt, das Orient-Haus werde „nie mehr geöffnet“.
Der palästinensische Parlamentspräsident Abu Alaa kommentierte die Besatzung des Orient-Hauses als „Überschreitung einer roten Linie“. Vor Journalisten in dem Jerusalemer Vorort Abu Dis nannte er das Gebäude ein „Symbol des Friedens“, dessen Besetzung beweise, „dass die Israelis den Frieden nicht wollen“. Mit der Besetzung habe Israel „die Jerusalem-Akte geöffnet“. Von jetzt an habe die Zukunft Jerusalems Priorität. man werde den Kampf um die Stadt fortsetzen „bis der letzte Quadratzentimeter befreit ist.“
Mehrere hundert Soldaten hatten in der Nacht zum Sonntag zusätzlich das Gebäude des Gouverneurs in Abu Dis gestürmt. „Warum Abu Dis?“ fragte Abu Alaa kopfschüttelnd. „Es ist nur ein Vorort. Außerdem hätte er längst in die Kontrolle der palästinenischen Behörden übergeben werden sollen.“ Die Regierung von Ex-Premier Ehud Barak hattevor zwei Jahren die Übergabe beschlossen. Sie war jedoch wiederholt verschoben worden.
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