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Beginen pleite, Scherf patzig

■ Senat weigert sich, 5,6 Millionen Mark Bürgschaft bereitzustellen/Heute Konkurs eines der ambitioniertesten Frauenprojekte Deutschlands

Da wurde der Bürgermeister patzig: „Wir haben dieses Ding schließlich nicht gebaut,“ sagte Henning Scherf empört, stand auf und machte den Abgang. Damit besiegelte der Bürgermeister vorerst das Ende eines der ambitioniertesten Frauenprojekte Deutschlands: Der Beginenhof in der Neustadt ist endgültig pleite, nachdem der Senat sich gestern weigerte, eine Landesbürgschaft in Höhe von 5,6 Millionen Mark einzugehen.

Kurz vorher hatten sich gut 50 Bremerinnen auf dem Marktplatz versammelt, um zu demonstrieren und vom Bürgermeister zu hören, ob die Bürgschaft kommt. Da hatte es Sybille Gimon vom Beginenhof schon geahnt: „Das wird ein schwerer Gang.“ Ein Gang um alles oder nichts. 70 Frauen und 30 Kinder wohnen im Beginenhof. Gimon: „Es geht uns nicht um Schuldzuweisungen – auf beiden Seiten sind Fehler gemacht worden. Es geht um viel mehr: Bremen hat noch nicht begriffen, wieviel Prestige der Beginenhof in die Stadt bringt.“

Henning Scherf kam sofort zur Sache: „Es ist nicht in meinem Sinn, dass der Beginenhof eine Bauruine wird.“ Die Bürgschaft gebe es trotzdem nicht. Ja, das Wirtschaftsressort habe vier Millionen Mark Fördermittel zugesagt. Und ja, außerdem waren 1,6 Millionen für die Kita im Beginenhof in Aussicht gestellt worden.

Aber nur dann, wenn die Beginen ein wirtschaftliches Fortführungskonzept für ihren Hof vorlegen. Das ist bis heute nicht passiert. „Ich finde, das ist ein gelungenes Projekt“, sagte Scherf, die Frauen klatschten. Und: „Ich möchte, dass es genutzt wird.“ Trotzdem könne der Senat ohne Konzept nicht zu seiner Zusage stehen und das Geld fließen lassen. „Wenn wir das täten, wären wir fällig. Wir könnten sofort unsere Ämter abgeben,“ beteuerte Scherf.

Vielleicht wäre genau das den Frauen in diesem Moment am liebsten gewesen. „Von Anfang an war das Projekt politisch nicht gewollt“, betonte Geschäftsführerin Erika Riemer-Noltenius: „Wir fühlen uns stiefmütterlich – nein: stiefväterlich – behandelt!“

Die Finanzberatung sei schlecht gewesen, riefen die einen, Jekyll & Hyde hätte doch auch einen finanziellen Rettungsanker bekommen, die anderen. Das war Scherf dann doch zu bunt: „Sie sind falsch informiert“, sagte er barsch. Irgendwann blockte der Sonst-so-Kuschelbürgermeister einfach nur noch ab. Kein Bitten und Betteln half mehr: Ohne ein Wort des Abschieds verließ Scherf den Raum.

„Er steht nicht zu seinem Wort“, sagt Ursula Opsölder sauer. Die Schwerbehinderte hat im Beginen-Modell genau das richtige Zuhause gefunden. Die Nachbarinnen pflegen sie, dafür schreibt sie Briefe am Computer für die anderen, manchmal backt sie Kuchen. Opsölder: „Es ist typisch, dass wir uns gegenseitig helfen. Unsere Älteste ist 72 Jahre alt. Irgendwann braucht sie auch Pflege.“ Es ist unwahrscheinlich, dass die Frauen wegen des Konkurses den Beginenhof verlassen müssen – sie haben gültige Mietverträge. Dennoch bleibt Unsicherheit.

„Formal hat er recht, aber seine mündlichen Zusagen hat Scherf nicht eingehalten“, meint auch Elke Schmidt-Prestin. Heute steht der Geschäftsführerin des Beginenhofes eine besonders traurige Amtshandlung bevor, vermutlich eine ihrer letzten: Der Gang zum Amtsgericht, wo sie den Konkurs des Projekts anmelden wird.

Immerhin scheint schon der Konkursverwalter gefunden zu sein, den die Beginen favorisieren. Vielleicht findet er einen neuen Investor, der das Projekt aus den roten Zahlen holt. Elke Schmidt-Prestin ist traurig: „Eines kreide ich mir selber an: Dass es keine rechtsverbindliche Zusage für die Zuschüsse gab. Und wir haben uns trotzdem darauf verlassen, dass das Geld kommt.“

Kai Schöneberg

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