: Die Wiederkehr der Partisanen
■ Im 3001: Vinko Bresans Politsatire Marschall Titos Geist Von Christiane Müller-Lobeck
In Kroatien hat Vinko Bresans Film Marschall Titos Geist (1999) eingeschlagen wie eine Bombe. Oder sagen wir, wie eine Handgranate, die ja eher eine Waffe von Partisanen ist. Denn um die dreht sich der Film maßgeblich. Gleich seinem Vorgänger Wie der Krieg auf meiner Insel begann (1996) war Marsal, so der pointiertere serbokroatische Originaltitel, im Jahr seiner Erstaufführung erfolgreicher als jede US-amerikanische Produktion. Der 1964 geborene Bresan hat Literatur, Philosophie und Regie in Zagreb studiert, bevor er sich zunächst dem Dokumentarfilm zuwendete, um Mitte der 90er seinen ersten abendfüllenden Spielfilm zu drehen. Marschall Titos Geist trickst mit den Genres wie mit den Fronten, die er aufmacht. So wie er die ostalgische Erinnerung an frühere, bessere sozialistische Zeiten, Personenkult und den Irrsinn des Kapitalismus gleichermaßen auf die Schippe nimmt, surft er durch die Formen: Groteske, Farce, Politsatire, Slapstick, aber Bresan hat sich auch vom Western, vom Horrorfilm und vom magischen Surrealismus einiges geborgt.
Auf einer heruntergekommenen Insel an der kroatischen Adria begeht, gleich einem Geheimbund, eine Hand voll alter Veteranen des Partisanenkampfs gegen den Faschismus eine Beerdigung. Sie kramen den roten Stern hervor, hissen eine rote Fahne und stimmen schließlich die Internationale an. Und siehe da, es erscheint ihnen der Geist von Josip Broz, genannt Tito.
Da Marxisten aber nicht an Geis-ter glauben und Tito Marxist war, liegt auf der Hand: Es war Tito persönlich. Der Bürgermeister des Ortes, überzeugter Neukapitalist und einziger Profiteur der Privatisierungen der 90er, Inhaber des Hotels vor Ort, einer Kneipe und des Revolutionsmuseums, ist entsetzt. Er bittet das Festland um Hilfe, und so wird von dort der junge Polizist Stipan geschickt, der auf der Insel aufgewachsen ist, um den Spuk zu ergründen und ihm ein Ende zu setzen.
Doch der Bürgermeister wittert zugleich eine Chance, die Stipan die Arbeit schwer machen wird: die touristische Ausschlachtung der mysteriösen Wiederkehr Titos. Bald tummeln sich im Hotel nicht nur zahlreiche angereiste Veteranen der 7. dalmatinischen Partisanenbrigade, sondern auch jüngere Neugierige, werden Paraden organisiert und das Revolutionsmuseum entstaubt, aber auch die Waffen entwendet – sicherheitshalber, denn der Feind schläft nie. „Bei uns ist jeden Tag erster Mai“, begrüßt der Bürgermeister die Ankommenden, und er will den Erfolg seines „sozialistisch-spirituellen Tourismus“ noch steigern durch die Wiederbelebung von Honecker und Mao. An Kuba darf hier ruhig gedacht werden.
Vom Fantastischen der Filme Emir Kusturicas ist Marschall Titos Geist so weit entfernt wie sein Soundtrack von der Musik Goran Bregovic', die für Westeuropa das Lied von der wilden balkanischen Seele anstimmte und für ihren ewigen Wiederhall sorgt. Bresan lässt von seinem Soundmann Mate Matesic stattdessen die Internationale durch Punk und Reggae zugleich brechen und aufpeppen. Vielleicht liegt hierin etwas von der Kritik am kroatischen Nationalismus, die einige an Marschall Titos Geist vermissten – so als müsse ein Film sich, hat er einmal damit angefangen, gleich aller aktuell drängenden Probleme seines Landes annehmen.
Als der Film in Kroatien 1999 zu sehen war, traf er auch auf den Nerv eines wiedererstarkenden Personenkults unter kapitalistischem Vorzeichen: An der Macht war Franco Tudjman. Bresans Hiebe in diese Richtung wurden vom Publikum sehr wohl verstanden, und sie haben sicherlich ebenso zu dem überragenden Erfolg von Mar-schall Titos Geist beigetragen wie die „hinterhältigen“ Angriffe auf real existierenden Sozialismus und Kapitalismus.
In dieser „Hinterhältigkeit“ bloß Indifferenz zu sehen, macht die Sache zu einfach. Denn im Gegensatz zu einem ironischen Umgang mit Geschichte und Gegenwart, der sich zumeist heillos in der Negation des Bespöttelten verfängt, erhebt die Groteske einen ganz anderen Anspruch: Sie will realistisches Abbild einer im Grunde selbst grotesken Wirklichkeit sein. Als der Film Marschall Titos Geist entstand, war in der kroatischen Gegenwart alles Schlechte am real existierendem Sozialismus mit dem Kapitalismus neoliberaler Prägung bereits von allein zu einer indifferenten Mischung amalgamiert. Indem Bresan dies zeigt, hat er sich schon längst auf die Suche nach einem Dritten begeben.
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