Filmstarts à la carte
: Fürstliche Unterhaltung

Einst durften Max und Dave Fleischer als die einzigen echten Disney-Konkurrenten gelten. Denn wie der gute alte Walt versuchten sich auch die aus Österreich stammenden Brüder Ende der 30er Jahre an der Herstellung der ungemein arbeitsintensiven - und daher besonders teuren - abendfüllenden Zeichentrickfilme. Disney vermochte die auftretenden Finanzprobleme auszusitzen: Er machte Karriere. Die Fleischers machten bloß Pleite: Nach dem kommerziellen Misserfolg ihres zweiten Spielfilms „Mr. Bug Goes to Town“ mussten sie ihr Studio an den bisherigen Vertriebspartner Paramount verkaufen. Weitaus bekannter als die kommerzielle Nullnummer von 1941 wurde die zwei Jahre zuvor entstandene Verfilmung von Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“: ein hübsches, technicolor-buntes Märchen, das im Sinne der Familienunterhaltung für alle Altersstufen von den satirischen Aspekten des Romans allerdings nicht viel übrig ließ und in seiner Konzeption stark dem Disney schen „Schneewittchen“ ähnelt. Da gibt es: ein fürstliches Liebespaar in Schwierigkeiten, eine amüsante Galerie von komischen Nebenfiguren, und das für dieses Genre unerlässlich kitschige Liedgut. Inhaltlich und inszenatorisch das absolute Kontrastprogramm zu den Pokémons dieser Welt.

„Gullivers Reisen“ 16.8.-22.8. im Blow Up 1

Man kennt Susumu Terajima vor allem aus Takeshi-Kitano-Filmen wie „Brother“, wo er als Yakuza seinem zwangsexilierten „Chef“ nach Amerika folgt und dessen Aufstieg zur lokalen Gangestergröße betreibt. Eine kleine Werkschau im Eiszeit-Kino zeigt jetzt die vielen Facetten des Mannes mit dem markanten Gesicht. In Makoto Shinozakis stiller Ehestudie „Okaeri“ verkörpert Susumu Terajima den Lehrer Takashi, der sich plötzlich mit ersten Anzeichen für eine beginnende Geisteskrankheit seiner Frau Yuriko konfrontiert sieht. Die Beziehung des jungen Paares inszeniert Shinozaki als eine von Gedankenlosigkeiten geprägte Routine, in der es keine Intimitäten und vertrauten Gesten gibt: Oft kommt Takashi spät nach Hause, gelegentlich versetzt er Yuriko mit dem aufwendig zubereiteten Abendessen, um in die Kneipe zu gehen. Yuriko reagiert auf die Einsamkeit und die ständigen Enttäuschungen mit der Flucht in die Schizophrenie: Sie unternimmt „Patrouillengänge“, mit denen sie die Bedrohung ihres Glücks durch eine geheimnisvolle Organisation abwehren will, die überall unsichtbare Geheimbotschaften anbringen lässt und falsche Polizisten mit dreieckigen Augen beschäftigt. Takashi bemüht sich um Verständnis, bleibt jedoch hilflos. Höhepunkt ist eine lange, in nur zwei Einstellungen gedrehte Sequenz, in der er vor der verschlossenen Badezimmerür bittet und bettelt, Yuriko zum Arzt bringen zu dürfen. Doch seine Ratlosigkeit und Schwäche bringt den Wendepunkt in der Beziehung des Paares: Hatte die Inszenierung zuvor stets die räumliche Trennung der Protagonisten betont, nimmt Yuriko ihren Gatten nun tröstend in den Arm - als ob Takashi viel dringender eine Hilfe nötig hätte.

„Okaeri - Willkommen zu Hause“ (OmU) 16.8.-17.8. im Eiszeit 2

Am 13. August jährte sich der Tag des Mauerbaus zum vierzigsten Mal. Verständlich, dass sich man sich auch im Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum herausgefordert sah, eine kleine Filmreihe unter dem Motto „Berlin Menschen- Metropole-Mauer Stadt“ zusammenzustellen: Neben den üblichen Verdächtigen kommt dabei auch Martin Ritts nicht so häufig im Kino zu sehender Thriller „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (1965) zum Einsatz: ein düsterer und pessimistischer Anti-James-Bond-Film nach einem Roman von John Le Carré, in dem der britische Agent Leamas (Richard Burton) in der DDR viel zu spät erkennt, dass er zum Opfer einer Intrige seiner eigenen Leute geworden ist. Legendär sind Leamas „Duelle“ mit dem ostdeutschen Spionagechef Mundt (Oskar Werner) und das Finale an der - in Irland nachgebauten - Mauer: Da ersteht Berlin noch einmal in all seiner schäbigen Kalter-Krieg-Herrlichkeit.

„Der Spion, der aus der Kälte kam“ 18.8. im Zeughauskino (Open Air im Garten des Kronprinzenpalais)

Lars Penning