9.000 Liter in nur drei Minuten

Sommerloch (3): Es gibt eigentlich kaum ein Gerät in Berlin, das mehr Abkühlung verspricht, als ein Wasserwerfer der Polizei. Mit Spezialgenehmigung darf man den giftgrünen 26-Tonner besichtigen. Doch der Besucher bleibt auf dem Trockenen

von PLUTONIA PLARRE

Das Gelände ist mit Stacheldraht umzäumt. Bewegt man sich auf das Tor mit dem Schlagbaum zu, stellt sich einem sofort ein misstrauischer Wachschützer in den Weg: Die geschlossenen Einheiten der Berliner Bereitschaftspolizei lassen sich nicht gern in die Karten gucken. Nur nach vorheriger Anmeldung und mit ausdrücklicher Genehmigung von oben können Schulklassen und anderweitig Interessierte der Polizei liebstes Spielzeug besichtigen: den Wasserwerfer.

Heute ist so ein glücklicher Tag. Zwei Herren und eine Dame mit silbernen Sternen auf den khakifarbenen Hemdsärmeln führen die Besuchergruppe zu dem Hof, in dem die Fahrzeuge für besondere Großeinsätze stationiert sind. Vor den Garagen ragt der giftgrüne 26-Tonner wie ein Turm in den azurblauen Sommerhimmel. Seit es auf Berlins Straßen so ruhig geworden ist, sieht man solche Stücke nur noch selten. Ein Glück, dass es die 1.-Mai-Randale in Kreuzberg noch gibt, da werden die fünf Wasserwerfer der Berliner Polizei wenigstens einmal im Jahr richtig bewegt. Fremdeinsätze bringen auch keinen Spaß mehr, weil sich die verarmten Hauptstadtpolizisten mit den veralteten Modellen vor den Kollegen aus den anderen Bundesländern blamieren. Aber die 1,3 Millionen Mark Anschaffungskosten für einen neuen Hightech-Luxus-Wasserwerfer sind in Berlin beim besten Willen nicht drin.

Bevor der Besucher die Stufen zum Führerhaus erklimmen darf, wird er von den Herren in die Bedienung des Monstrums eingewiesen. Der allradgetriebene Dieselmotor hat eine Fahrgeschwindigkeit von rund 100 Stundenkilometern. Auf dem Fahrzeugdach sind zwei hydraulisch gesteuerte Wasserkanonen befestigt, die im Kreis herumschwenken können. Auch am Heck gibt es ein verstecktes Wasserrohr. Der Wassertank fast 9.000 Liter. Wenn alle Rohre auf volle Düse gestellt sind, ist das Wasser in rund drei Minuten alle.

Die maximale Druckstärke von 20 bar reicht locker aus, um Pflastersteine auszugraben und Menschen Kaboltz schlagen zu lassen. „Normalerweise“ würden aber nur 12 bis 15 bar verwendet, versichern die Herren. Mit dem Strahl dürfe auch nicht bedingungslos auf Menschen gezielt werden. Es müsse immer ein bestimmter Sicherheitsabstand eingehalten werden. „Wir schießen nicht und wir spritzen nicht. Wir werfen“, betonen die Herren. Im „Regelfall“ gehe es nur darum, „die Chaoten nass zu machen“, indem der Strahl kurz vor ihnen auf der Straße platziert werde. Aber der Wasserwerfer sei noch anderweitig einsetzbar. Bei den schweren Krawallen in der Vergangenheit wurde dem Wasser zum Teil auch CN-Tränengas beigemischt. „Mit Geschmack“ heißt das im Polizeijargon. Aber das sagen die Herren nicht.

Dafür, dass in der Kanzel fünf Beamte sitzen, ist es im Führerhaus ganz schön eng. Die Plätze in der ersten Reihe sind Fahrer, Kameramann und Kommandanten vorbehalten. Letzerer führt bei einem Einsatz das Regiment: „Wasser marsch!“ In der zweiten Reihe leicht erhöht sitzen die beiden „Werfer“. Jeder hat sein eigenes Armaturenbrett. Die Kanonen werden vom Innenraum aus mit einer Art Joystick bewegt.

Auch der Besucher darf an den Hebeln und Knöpfchen herumspielen. Aber dann kommt die große Enttäuschung: Es gibt kein Wasser. Nicht ein einziger Tropfen kommt aus der Düse, geschweige denn ein 65 Meter langer Strahl. In den Zeiten leerer Haushaltskassen, wo ein Wasserwerfer nicht mal mehr ausrücken darf, um in Hitzeperioden Bäume zu begießen, ist natürlich auch kein Geld für Demonstrationszwecke da.