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Es ist heiß. Aber die wirkliche Plage kommt erst noch: Millionen Mücken werden am Monatsende schlüpfen

Die Brut:

Millionen Stechmücken werden in den nächsten Wochen im Berliner Umland das Licht der Welt erblicken, sagt Mückenexperte Frank Menzel vom Deutschen Entomologischen Institut in Brandenburg. Spätestens Ende August beginnt die zweite Schlupfphase dieses Sommers. Dann bekommen die drei in diesen Breiten heimischen Clans Nachwuchs in unzählbarer Menge. Immerhin legt eine Mückenmama leicht 100 Eier ab.

Familie Culex erwartet dicke Hausmücken mit Minifühlern und durchsichtigen Flügeln. Ihre derben Stechmuskel werden Spaziergänger mit schmerzhaften Stichen malträtieren.

Bei Familie Anopholes stehen bunte Fiebermücken mit schuppigen Flügeln ins Haus. Sie stechen mit schlankem Langstachel. Die gehen leichter unter die Haut und schmerzen kaum.

Bei den Wald-und-Wiesen-Mücken von Familie Aedes fällt die Kinderschar variantenreich aus. 25 verschiedene Gattungen schwirren los.

Das Wetter:

„Bruthitze in Berlin“, vermeldet die Nachrichtenagentur dpa. Bis zum Wochenende bleibt es über 30 Grad, auch nachts sinken die Temperaturen kaum unter die 20-Grad-Marke. Zum Glück. Denn bei Bruthitze sind die Mücken matt, sagt Experte Menzel. Das aktuelle Wetter verursache unter den Mücken der Region eine „große Sommerdepression“, weiß der Eberswalder Fachmann. Sie lieben es nämlich schattig und feucht und verziehen sich an sonnenarme Plätze im Wald.

Gefährliche Orte:

An heißen Tagen warten die Mücken die Sonne ab, zugestochen wird erst zwischen Dämmerung und Tagesanbruch. Also zur besten Biergartenzeit.

Besonders umschwärmt sind stille Gewässer. Die benötigen die Mücken zur Eiablage. Einladende Pfützen sind zwar im Sommer selten, weil es kaum regnet und das wenige Wasser schnell versickert. Doch Kanäle und Seen, wie es sie zahlreich in den Innenstadtparks und im Umland gibt, schaffen Abhilfe – für die Mücken.

Schutzmaßnahmen:

Impfstoffe zum Schutz vor Mückenstichen konnte die Pharmaindustrie bisher nicht entwickeln. Die sonst so allwissenden Pharmazeuten haben bisher nur übelriechende Schutzcremes entwickelt. Die helfen aber nur bei Ganzkörperbehandlung. Stinken ist nicht immer ein guter Tipp: Während Knoblauch die Stechmücken fern hält, zieht der Geruch von Schweiß die Tiere an. Übermäßiges Transpirieren ist also zu vermeiden. Medizinische Fachblätter raten zur Expositionsprophylaxe. Sprich: Aussperren durch Mückengitter und Moskitonetze, die mit insektenabweisenden Substanzen imprägniert sind. Auch zu Hosen und Hemden mit langen Ärmeln wird geraten. Besondere Sicherheit versprechen geschlossene Räume. Wer dennoch eingedrungen Flieger nicht einfach töten will, sollte sich eine Geruchsfalle besorgen. Der Malariaforscher Bart Knols aus Mbita Point in Kenia lockt Mücken jedenfalls mit Limburger Käse an. Ein europäisches pharmazeutisches Unternehmen hat bereits Interesse an der afrikanischen Geruchsfalle auf Fettsäurebasis bekundet.

Die Katastrophe:

Mücken übertragen Malaria. Zumindest in tropischen Breiten bereiten die Viecher mehr als den üblichen Juckreiz. Theoretisch auch in Berlin. Denn die Gattung der Anopholes-Mücken schmuggelt sich gerne in die Koffer heimfliegender Touristen. Auch in Jet-Fahrwerken wurden sie gefunden. Ein Stich eines solchen Killers genügt, um den Erreger in die Blutbahn des Menschen zu jagen. Experten sprechen von „Airport-Malaria“ und „Baggage-Malaria“. In Frankfurt erkrankte eine 63-jährige Anwohnerin des Flughafens, die nie zuvor in Malariagebieten gewesen war.

Droht also eine Epidemie? Nein, sagen die Experten vom Tropenmedizinischen Institut. Denn der Krankheitserreger überlebt das hiesige Klima nur kurz. Zudem müssten einheimische Mücken ausgerechnet einen infizierten Menschen stechen, um erst sich und dann andere Menschen anzustecken. Das gilt als nahezu ausgeschlossen. In Berlin erkranken jährlich rund 100 Menschen an Malaria. Die meisten haben sich im Urlaub angesteckt.

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