: Geld für Neubeginn
Beispiele für Entwaffnung: Sierra Leone und Kongo-Brazzaville
BERLIN taz ■ Die britische Regierung beruft sich bei ihren Planungen für die ruandischen Hutu-Milizen im Kongo explizit auf die Erfahrungen, die Großbritannien und die UNO mit der Entwaffnung irregulärer Kämpfer im westafrikanischen Sierra Leone gemacht haben. Im Land mit der größten UN-Blauhelmmission der Welt läuft seit zwei Jahren ein so genanntes DDR-Programm – „Disarmament, Demobilisation and Reintegration“ –, mit dem Kämpfer der Rebellenbewegung RUF (Vereinigte Revolutionäre Front) und Mitglieder regierungstreuer Milizen ins zivile Leben zurückgeholt werden sollen.
Etwa 14.000 von geschätzten 45.000 Kämpfern haben nach einer UN-Bilanz vom 7. August die Waffen abgegeben. Nach anfänglicher Zurückhaltung sind die Geberländer begeistert: Seit Mai sind aus der ganzen Welt 31 Millionen Dollar (70 Millionen Mark) für das DDR-Programm zugesagt worden, davon 4,6 Millionen Dollar aus Deutschland. Nun sollen weitere Programme zur Wiedereingliederung bürgerkriegsgeschädigter Bevölkerungen in das wirtschaftliche und politische Leben folgen. Dafür sagte die US-Regierung jüngst 14,5 Millionen Dollar zu.
Diese Summen sind viel größer als die für die Demokratische Republik Kongo – aber zugleich hat Sierra Leone vier Millionen Einwohner und der Kongo 50 Millionen. Das zeigt, wie viel noch zu tun ist, bevor im Kongo von einem wirksamen Demobilisierungsprogramm die Rede sein kann.
Dass aber auch ohne viel Geld gute Arbeit geleistet werden kann, zeigt das UN-Entwicklungsprogramm UNDP im Nachbarland Kongo-Brazzaville, wo zwischen 1997 und 2000 ebenfalls zweimal Bürgerkrieg tobte, wobei zeitweise ein Drittel der zwei Millionen Einwohner vertrieben wurde. Seit Oktober letzten Jahres veranstaltet das UNDP zusammen mit der Internationalen Migrationsorganisation IOM ein Entwaffnungsprogramm für die geschätzten 25.000 Kämpfer der Bürgerkriegsmilizen. Zunächst war gedacht, 4.700 zu demobilisieren; heute aber liegt die Zahl bereits bei 6.300, und bis Jahresende könnten es 10.000 werden.
Das Programm in Kongo-Brazzaville hat bisher nur 2,9 Millionen Dollar gekostet (etwa 6,5 Millionen Mark). Den Milizionären in Kongo-Brazzaville werden nicht einfach die Waffen abgekauft – das ist der Unterschied zwischen einfachen Entwaffnungsaktionen und DDR-Programmen. Sie müssen einen Plan für ihren zivilen Neustart vorlegen und kriegen dann 350 US-Dollar (800 Mark). Damit können sie ein Kleinunternehmen aufmachen, Land oder Vieh kaufen. Die meisten würden allerdings am liebsten Soldaten werden, was die UNO nicht finanziert.
Kongo-Brazzaville bietet allerdings auch ein warnendes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man Milizionären aus einem fremden Land die Option offen lässt, sich permanent niederzulassen. Im Mai 1997 waren 25.000 ruandische Hutu aus dem damaligen Zaire nach Kongo-Brazzaville geflohen, und viele verdingten sich später bei den Milizen, die den heutigen Präsidenten Denis Sassou-Nguesso im Herbst 1997 an die Macht trugen. Etwa 12.000 ließen sich danach in UN-Flüchtlingslagern nieder und verlangten, versorgt zu werden. Anfang 2000 begann das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, sie im kaum bewohnten Norden des Kongo anzusiedeln. In Teilen dieses Regenwaldgebietes stellen sie nun ein Viertel der Bevölkerung, und in den Augen der Einheimischen gelten diese treuen ausländischen Waffenbrüder des Präsidenten als Privilegierte. DOMINIC JOHNSON
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