: Es tut ein bisschen weh, vielleicht
■ Die Wilhelmshavener Band „Blue Valentine“ gab Blues-Ikone Tom Waits ein würdiges Konzert in der Blue Moon Bar
„Man stelle sich vor es ist halb zwei Uhr nachts in einer verräucherten Kneipe. Alles ist menschenleer, das Wochenende gelaufen. Da öffnet sich die Tür und ein wunderbares Wesen kommt herein. Ein weibliches Wesen und sie erschlägt einen förmlich mit diesem Blick aus ihren sanften braunen Augen. Shut me down with your soft brown eyes“, kündigt Markus Lomertin den ersten Song an. Und dann ertönen schmeichelnde Pianoklänge, eine dezente Snare und eine Reibeisenstimme...
Es ist elf Uhr abends in der Blue Moon Bar am Güterbahnhof. Weingläser mit blutrotem Inhalt stehen auf den Tischen, rote Rosen in Glasflaschen. Schwaden aus Zigarettenqualm wabern an die Decke – genau das richtige Ambiente für ein Jazz-Swing-Blues-Konzert und vor allem für die Songs von Tom Waits.
Auf der Bühne stehen, nun schon zum vierten Mal in der Blue Moon Bar, „Blue Valentine“ aus Wilhelmshaven. „Blue Valentine“, das sind drei Menschen, die Musik und Tom Waits über alles lieben und deshalb vor vier Jahren eine Band gründeten, die den Namen eines Tom Waits-Albums von 1978 trägt. Sänger und Trompeter Markus Lomertin, Pianist Frank Schede und Snare-Lady Carola Schede.
Lomertin leitet zum nächsten Song über. „Es gibt doch dieses Phänomen ,Unser Lied'. Hör mal, Schatz, sie spielen unser Lied. Wenn man sich dann nach vielen Jahren aus den Augen verloren hat und dieses Lied hört, dann tut es auf einmal weh. Now it hurts.“ Das Lied bleibt fast auf der Stelle stehen. So langsam, so schleppend, so Blues. Das ist der Moment, in dem sich Pärchen eigentlich verliebt in die Augen blicken, alle anderen graben in längst vergessenen Erinnerungen und es tut wirklich ein bisschen weh. Vielleicht.
Aber romantische Balladen sind nicht der einzige Bestandteil des Repertoires. Swingrhythmen, Seemannslieder, irisch Angehauchtes löst sie ab. „Genau wie der Kollege Waits sind auch wir immer etwas wechselhaft“, erklärt Sänger Lomertin. Der Erfolg der Band hat dazu geführt, dass die drei Musiker in den letzten Jahren mehr und mehr eigene Songs schreiben und nicht mehr nur den großen Waits covern.
Bei „I'll be gone“ dreht Markus Lomertin richtig auf. Er ist ein dünner Mensch, er trägt schwarze Flatterhosen und einen Haarschnitt, wie er normaler nicht sein könnte. Aber in seiner Stimme steckt eine Kraft, die man diesen Flatterhosen niemals zugetraut hätte. Hätte Rod Stewart an einem der Holztische gesessen, er wäre neidisch geworden.
„Wir haben ja heute schon viele, gar nicht so verschiedene Themen behandelt“, so Lomertin. Nein, wirklich nicht, eigentlich dreht es sich fast immer um die Liebe. Carola Schede steht nun am Mirkofon um mit Lomertin im Duett „I never talk to strangers“ zu singen. Vielleicht ist ihr Platz doch besser am Schlagzeug. Ihr Stimme klingt unsicher, ein bisschen zittrig, nicht so wie Blues- oder Jazzstimmenklingen sollten. So wie die von Markus Lomertin, der zum Abschluss, als Zugabe „Wonderful World“ singt. Man glaubt es ihm. Die Köpfe liegen schief, die Stirnen in Falten und die Gedanken sind irgendwo ganz weit draußen. spo
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