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„Let me entertain you“

Westernhagen, Puhdys, Nena, Midnight Oil: Die Coverband Right Now hat fast alles im Programm. Zu ihren Auftritten an Brandenburger Badeseen kommen Tausende. Die Berliner Band hat im Umland sogar eine eigene Fangemeinde

Die Right-Now-Partys sind eine ArtAbiparty mitProfi-Equipment

von KATJA BIGALKE

Als Nena ist Maria „voll tierisch“: Schlangenhose, Paillettentop und lederne Buffalo-Schuhe. Als Guano Apes zieht sie die beige Schlabberhose an. Für ihren Auftritt als Inga Humpe hat sie eine lange Schlaghose parat. Die trägt sie zu einem engen hellblauen T-Shirt. Was Popstars im Laufe der Jahre behutsam verändern, schafft Maria in fünf Stunden: neues Kostüm, neues Image, neue Sängerin. Maria richtet sich da ganz nach dem Programm von Right Now – ihrer Band. Ein eigenes Right-Now-Outfit hat sie nicht, weil „Right Now“ für nichts steht. Right Now macht keine selbst komponierte Musik, sondern Partyentertainment „für jeden Geschmack“.

Zu der Cover-Band mit dem Programm, „das von Westernhagen bis Puhdys, von U2 bis Rolling Stones, von den Backstreet Boys über Modern Talking bis hin zu Schlagern und NDW-Krachern sowie Hits der MTV- und Viva Charts reicht“, ist die 26-jährige per Annonce gekommen. „Trau dich“ stand darin und dass eine Sängerin gesucht wird. Seit einem Jahr ist sie nun mit „Right Now“ jedes Wochenende unterwegs. Maria kennt jeden Song, der eine Sängerin erfordert.

„Uno, dos, tres, one, two three.“ Letzter Soundcheck am Stolzenhagener See, wo Right Now an diesem Sommerabend spielen. Seit dem Morgen hat die Cover-Band-Crew hier aufgebaut, das Licht auf der Bühne eingerichtet, Instrumente gestimmt. Junge Menschen in Shorts und Bikinis. Alles Freunde von früher.

Die seit 1993 bestehende Schülerband Right Now aus dem Berliner Vorort Birkenwerder ist zum Partyveranstalter aufgestiegen. Die „Gastro-Fraktion“ – acht Frauen zwischen 22 und 27 – macht den Bierstand, fünf Jungs sorgen für die Technik, und die siebenköpfige Band bedient die Kundschaft mit Songs.

Die Party: Blitzende Lichter in der Dämmerung: „Seid ihr gut drauf?“, lispelt Sascha, der Sänger, ins Publikum. Angereiste Großfamilien, Jungendliche, die sich für den Abend ins Technooutfit geworfen haben und ältere Pärchen in Motorradkluft brüllen „Ja!“. „Das ist unser sechstes Konzert in Stolzenhagen.“ Dann folgt Midnight Oil’s „Beds are burning“. „The time has cooo“, verschluckt Sascha die Endung. Er hüpft auf der Bühne herum wie ein Rocker, die Gitarristen üben sich im Head-Banging. Lange Haare fliegen durch die Luft. „To play out thea“ dann der Refrain.

Das Publikum tobt: Alle kennen den Text, singen mit, Sascha hält das Mikro ins Publikum. Dann kommt: „Total verrückt“ von Nena. „Das ist Maria, unsere neue Sängerin“, sagt Sascha noch mal. Marias Stimme ist ein bisschen höher als die von Nena. Die gebürtige Amerikanerin singt mit einem deutlichen englischen Akzent.

Die Songfolge ist wahllos: Auf Robbie Williams’ „Let me entertain you“, folgt Soft Cell’s „Tainted Love“, dann Reamonn’s „Josefine“. Aber die Melange passt. Vor der Bühne hat sich eine Menschentraube angesammelt. Zu „Butterfly“ rappen zwei 18-jährige Abiturienten: „Musik iss gut hier“, sagen sie. Vor ihnen hüpfen zwei Girls in Silbershirt und engen Hosen.

Ein Mann hebt seinen kleinen Jungen auf die Schultern, quetscht sich durch die Menge zur Bühne – zum Fotos machen. „Meine Tochter hat mit gesagt, dass das hier sehenswert ist“, sagt ein 45-Jähriger aus Wandlitz, der etwas abseits steht. Er nickt mit dem Kopf zu „den Ärzten“. Daneben steht seine skeptisch dreinschauende Frau, die vielleicht doch mehr mit der typischen, etwas älteren Cover-Band anzufangen gewusst hätte.

Aber von dieser Cover-Version distanziert sich Right Now. Die Right Now-Beachpartys sind keine Veranstaltung mit einem älteren Herrn, der allein im Camping-Platz-Bierzelt Howard-Carpendale-Songs anstimmt, sondern eine Art Abiparty mit Beachball-Flair und professionellem Equipment.

„Ein Feeling von einer Band“ findet Sascha, der Robbie Williams, Herbert Grönemeyer und Marc Almond von Soft Cell repräsentiert. Na klar, in Zukunft wolle man auch eigene Songs machen, versucht er dem Einwand auszuweichen, dass das alles „nur“ kopiert ist, dass es deprimierend ist, Gema-Gebühren für die Songs zu zahlen, die man selber auf der Bühne spielt.

Auch Andy, der Bassist, möchte selbst komponieren. Seine frühere Band hatte eigene Songs im Repertoire, von denen er „richtig überzeugt“ war. Die Cover-Branche empfindet er trotzdem nicht als Abstieg. „Stell dir vor, du willst einfach mal raus, und dann erlebst du das einfach. Jedes Wochenende Live-Konzerte. Tourneen. Ich liebe das jetzt.“ Seine alte Band konnte die erste Platte nicht veröffentlichen, weil der Sänger Drogenprobleme hatte und dann der Vertrag mit der Plattenfirma geplatz war. Jetzt kann Andy von der Musik leben. Für den Gitarristen Christian sind die Kellerbands die Looser im Geschäft. „Die kommen nicht voran und machen irgendwann gar keine Musik mehr.“

Möglichst groß, möglichst viel Effekt, möglichst viele Songs im Repertoire ist das Rezept einer Cover-Band. In einer Ecke Deutschlands, in die sich weder U2 noch Depeche Mode noch Modern Talking jemals begeben haben, hat Right Now eine Nische besetzt.

Die sich selbst als „Berlin’s Party Export No. 1“ bezeichnende, aber in Berlin total unbekannte Band ist in Brandenburg ein Highlight. Im Sommer fahren die sieben Musiker mit einem riesigen schwarzen US-Truck von einem Beachparty-Auftritt zum nächsten. Jedes Wochenende zwei Auftritte. Überall in Brandenburg – an Gartenzäunen, Plakatwänden und Bushaltestellen – wirbt dann das Plakat mit dem gelben Schriftzug „Right Now“ für die Badesee-Tournee. „Beachparty in Stolzenhagen/Wandlitz“ klebt dann zum Beispiel über dem Plakat im Musical-Heavy-Metal-Stil, das jeden Geschmack ansprechen soll und so vollkommen geschmacklos ist. „Reitnau“ ist in der Stadt, weiß dann auch die Frau vom Tourismusbüro in Wandlitz, „Reitnau – da ist immer was los“, sagt Liane, eine Friseuse aus Basdorf, die schon zum dritten Mal zur Party fährt und gleich zwei Arbeitskolleginnen mitgebracht hat.

Right Now – egal wie ausgesprochen – steht für „gerade jetzt, für immer nach vorne, immer Party“. Das hat sich Tobias ausgedacht. Und die Brandenburger scheinen das auch so zu verstehen. Bis auf eine Stadtverwaltung, die hinter Right Now eine rechtsextreme Band vermutete, wird der englische Ausdruck wortwörtlich übersetzt. Zu den Partys, die die Band im Sommer organisiert, kommen zwischen 1.000 und 2.000 Menschen in sommerlicher Kleidung – ohne die in Brandenburg oft zu sehenden Springerstiefel.

Right Now hat sogar eine kleine Fangemeinde. Eine Frau im Rollstuhl hat den Weg durch den Sand zurückgelegt, um die Jungs zu besuchen. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt, auf dem „Right Now“ steht. Der Band hat sie Schokolade und Kekse mitgebracht, einen selbst gemalten Kalender und ein paar Fotos aus ihrer Behindertenwerkstatt. „Damit die auch mal sehen, wo ich arbeite“, sagt sie. „Das Konzert in Stolzenhagen ist bestimmt mein 15.“ Die Tourdaten hat sie zu Hause fein säuberlich aufgeschrieben. Besonders gern mag sie Sascha, der hat früher als Zivildienstleistender mit Behinderten gearbeitet und immer gefragt hat, wie es ihr geht.

Sonst beschränkt sich die Fangemeinde auf Teenies, gibt Sascha zu. „Die wollen wissen, wie alt wir sind, ob wir Freundinnen haben – den ganze Bravo-Katalog halt.“

Es sind die Unterschiede zu den Originalen, die Right Now eine eigene Note geben. Kompletter Stilmix passt in die brandenburgische Landschaft, wo keine Straße kontinuierlich gepflastert ist, wo grelle neue Tankstellen und riesige moderne Einkaufszentren neben Straßenverkäufern und grauen Häusern stehen.

Es ist der amerikanische Akzent von Maria, die eigentlich Volkshochschullehrerin ist und zu Hause drei Kinder hat, es ist Sascha, der ein bisschen lispelt und seine Fans alle mit Namen kennt, und es sind die Mädchen, die Bier verkaufen und ihre Band anhimmeln, die Right Now sympathisch machen.

Das blaue, rote und gelbe Licht flackert über der Bühne. Die Beats wummern über den spiegelglatten See. Die Cover Band hat sichtlichen Spaß an ihrer Imitationsleistung. Das Publikum auch. Service Musik ganz nach Plan.

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