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Dokumentation„Ohne Sachverstand“

■ Offener Brief von 13 MitarbeiterInnen des Planungsamtes zur Hochhausdebatte

Mit einem zornigen Brief haben sich 13 MitarbeiterInnen des Stadtplanungsamtes in die Bremer Hochhaus-Debatte eingeschaltet (die taz berichtete am Samstag, 18.8.). Der offene Brief im Wortlaut:

Nachdem sich zum Thema Hochhäuser und Stadtplanung RedakteurInnen und PolitikerInnen so kompetent geäußert haben, wollen wir uns als StadtplanerInnen aus dem Stadtplanungsamt zu Wort melden:

Ihre Berichterstattung und das Interview mit dem SPD Fraktionsschef zeigen uns, dass Stadtplanung ein Thema zu sein scheint, zu dem jeder eine Meinung hat und diese auch gerne kund tut, frei nach dem Motto „Ich finde, das passt hierhin – und ich finde das passt gar nicht.“ Wir vermissen in dieser Debatte vor allem Sachverstand und Verantwortung. Es kann doch nicht wahr sein, dass dem Chef des Planungsamtes vorgeworfen wird, die Senatorin für Bau fachlich beraten zu haben. Wir fragen uns, wie gering das Selbstbewusstsein von Politik ist, wenn es offenbar unerträglich ist, dass Fachleute öffentlich Auffassungen äußern, die nicht in das politische Konzept passen. Wenn der Politikbegriff aber so verstanden wird, dass Politiker eine Meinung zu dem Thema haben und diese über die Medien verbreiten dürfen, StadtplanerInnen sich hierzu aber nicht äußern sollten, weil sie etwas von dem Thema verstehen (dies sogar studiert haben!!) spiegelt dies deutlich die politische Kultur in unserer Stadt wider.

Wir StadtplanerInnen verstehen uns als Fachleute, die kompetent und verantwortlich dafür Gehalt beziehen, dass wir unter anderem Politik beraten und mit dafür sorgen, dass unsere Stadt auch langfristig für uns alle ihr Gesicht wahrt. Dazu gehört auch, dass wir nicht jedem modischen Trend folgen wollen und zu mehr Besonnenheit und weniger Spektakel raten. Leider scheint dies momentan politisch nicht gefragt. Sämtliche Repräsentanten der politischen Parteien berufen derzeit Pressekonferenzen ein, um sich laut zu äußern. Die Grüne Helga Trüpel lässt über die Zeitung verkünden, sie habe sich von dem Imperium Zech überzeugen lassen, dass Hochhäuser im Technologiepark gut sind.

Wir als StadtplanerInnen können uns nicht erinnern, jemals von Politikern um Rat zu diesem Thema gefragt worden zu sein. Aber in Modefragen läßt sich ja auch niemand gerne reinreden. Leider ist es aber so, dass die Folgen dieser Modetrends uns über Generationen beschäftigen und wir (und nicht die Politik) die Folgen solcher städtebaulichen Fehlentwicklungen mühselig auszugleichen versuchen.

In Osterholz-Tenever arbeiten StadtplanerInnen seit nunmehr zwanzig Jahren an „Nachbesserungsgruppen“ zur Beseitigung der Planungsfolgen. Wo sind die Politiker geblieben, die damals das Demonstrativbauvorhaben gegen den Widerstand an StadtplanerInnen entschieden haben? Wer wird später dafür verantwortlich gemacht? Ist nicht inzwischen fast jeden Tag zu lesen, dass „StadtplanerInnen“ wieder einmal schlecht geplant haben? Wer muss in die Einwohnerversammlungen gehen und den Bürgern die politischen Entscheidungen erklären, dass man im Hafenrevier nicht wohnen kann und dort ein Großmarkt richtig ist? Wir lassen dies Herrn Böhrnsen zukünftig gern alleine tun. Übernehmen Sie diese Verantwortung! Damit auch später jeder weiß, wer für welche Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden kann.

StadtplanerInnen aus dem Amt für Stadtplanung und Bauordnung: Josi Weth, Bernhard Lieber, Harm Wulfers, Bianca Urban, Irmtraud Konrad, Hella Poppe, Karin Thiessen, Willi Kattelmann, Eberhard Wetjen, Birgit Froebel, Henning Poos, Ronald Risch, Marion Reiners

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