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WER DIE GLOBALISIERUNG KRITISIERT, MUSS MARKTLIBERALISMUS ABLEHNENGrüne Basis flieht auf die Straße

In diesen Tagen entdecken sich die grünen SpitzenpolitikerInnen von Joschka Fischer über Claudia Roth bis Daniel Cohn-Bendit als aufrichtige GlobalisierungskritikerInnen. Dabei blenden sie aus, dass zwischen den Positionen von Attac und den Grünen derzeit Welten liegen, haben sich die Grünen doch in den letzten Jahren immer mehr einer marktliberalen Position angenähert, die es mit den Liberalen aufzunehmen versucht.

So haben die finanz- und haushaltpolitischen Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Christine Scheel und Oswald Metzger, während der Debatte um die Steuerreform auf eine stärkere Senkung der Spitzensteuersätze gedrängt. Hingegen sucht man Kernforderungen von Attac wie eine Umsatzsteuer auf Spekulation (Tobinsteuer), die Schließung der Steueroasen und eine Begrenzung der Macht der Konzerne auf der grünen Regierungsagenda vergeblich. Die Lektüre des Entwurfs für ein grünes Grundsatzprogramm bestärkt diesen Eindruck. „So viel Markt wie möglich“, heißt es dort – soziale Gerechtigkeit wird mit Chancengleichheit und Armutsbekämpfung gleichgesetzt. Umverteilung ist die Sache der Grünen derzeit nicht. Um eine Partei der neuen globalisierungskritischen Bewegung zu werden, müssen sie sich grundsätzlich ändern.

Das gilt nicht nur in programmatischer Hinsicht. Die Liste der unberechtigten Vorwürfe gegen die globalisierungskritische Bewegung seitens grüner SpitzenpolitikerInnen wird immer länger. „Abgestandener Linksradikalismus“ ist die Bewegung von Pax Christi über Ver.di und den BUND in den Augen von Außenminister Fischer. Ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt wirft Cohn-Bendit ausgerechnet dem breiten Netzwerk Attac vor, das schon lange vor Genua sein Bekenntnis zu friedlichen Mitteln klargemacht hat. Und Fischer meint auch, dass die in Genua vereinbarte Entschuldungsinitiative ein Erfolg grüner Politik sei – dabei ist sie unzureichend und wirkungslos. Und wenn er die Demonstranten von Genua auffordert, ein Freudenfest zu feiern, da doch jetzt ihre Forderungen auch auf der Agenda der G 8 stünden, so klingt das in den Ohren aller GlobalisierungskritikerInnen wie blanker Hohn.

Attac wird die öffentliche Zustimmung nutzen und in den nächsten Monaten Druck für die Einführung der Tobinsteuer, die Schließung von Steueroasen und gegen eine neue Welthandelsrunde in Katar machen. Angesichts der Dynamik der neuen sozialen Bewegung werden sich die Grünen bald fragen müssen, ob ihnen nicht vollends ihre Basis abhanden kommt – auf die Straße. SVEN GIEGOLD

Der Autor ist Mitglied des Koordinierungskreises von Attac Deutschland

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