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Was störte, wurde gestrichen

Über die Fehler, die Journalisten, auch die der taz, bei der Berichterstattung über den Tod des kleinen Joseph machten. Und darüber, welche Lehren daraus gezogen wurden

BERLIN taz ■ Diesmal wurden die Regeln befolgt. Als gestern die Nachrichtenagenturen über den Kanzlerbesuch in Sebnitz berichteten, referierten sie auch, was eigentlich im Fall des toten Joseph der letzte Stand ist. Und schrieben dabei nicht: „Der kleine Junge ertrank und wurde nicht ermordet.“

Sie referierten nur, dass die Staatsanwaltschaft Dresden ihre Ermittlungen im Juli eingestellt hat und es nach diesen Ermittlungen eben keine Hinweise auf eine Gewaltanwendung gibt.

Dies ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Die Staatsanwaltschaft hat zwar 250 Zeugen befragt und ein drittes medizinisches Gutachten eingeholt. Aber es ist eben etwas anderes, ob Medien über ein Ermittlungsergebnis berichten oder es zur unverrückbaren Gewissheit erheben. Im vergangenen November im Fall Joseph war dieser Unterschied entscheidend.

Denn als Journalisten darüber schrieben, wie der Junge 1997 im Schwimmbad starb, war oft kein Platz dafür, Aussagen als Versionen darzustellen. Es hieß zu selten: „Die Mutter des Jungen beschuldigt . . .“, „Angeblich soll . . .“. Es hieß: „Neonazis ertränken Kind“ (Bild) oder „Badeunfall erweist sich als grausames Verbrechen“ (AP). Die taz titelte auf Seite eins „Badeunfall erweist sich als rassistischer Mord“ und wischte damit Einschränkungen, die im zugehörigen Text gemacht wurden, weg. „Ein journalistisches Versagen, das uns ausgesprochen Leid tut“, sagt Chefredakteurin Bascha Mika heute.

Die Medien stützten sich auf Zeugenaussagen, die die Mutter des toten Jungen gesammelt und ihnen vorgelegt hatte. Viele beriefen sich nur auf Recherchen anderer Zeitungen, vor allem was die besonders ungeheuerlich scheinenden Vorwürfe betraf – etwa, dass der Junge mit einem Elektroschocker gefoltert worden sei.

„Journalisten beziehen sich auf Journalisten – gewohnheitsmäßig“, kritisierte später Journalistik-Wissenschaftler Horst Pöttker. Eine weitere Rolle beim schnellen Glauben an einen rassistisch motivierten Mord spielte auch der reale Hintergrund rechter Gewalt in Ostdeutschland. Dass alle Zweifel in den Hintergrund gedrängt wurden, erklärten Journalisten hinterher mit dem wachsenden Konkurrenzdruck: Jeder hatte Angst, abgehängt zu werden.

Das beschleunigte Entscheidungen, für Zweifel blieben keine Zeit. Dazu kam ein Wunsch nach Eindeutigkeit, der Texte lesbarer und Schlagzeilen glatter macht. Der Journalist Hans Leyendecker berichtete rückblickend, auch in der Süddeutschen Zeitung hätten Redakteure relativierende Passagen herausredigiert. GEORG LÖWISCH

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