: Gesundheit krankt am Geld
■ Reaktionen auf Obdachlosen-Studie: Kassen winken ab
„Wir sehen auch, dass der Gesundheitszustand der Menschen, die auf der Straße leben, sehr besorgniserregend ist“, sagt Ute Winkelmann-Bade von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS). Man erkenne das schon daran, dass die bestehenden Hilfeangebote sehr stark ausgelastet seien. Obdachlose würden zwar bei akuten Krankheiten Hilfe in Anspruch nehmen, nicht aber bei chronischen Leiden.
Wie berichtet, fordert das Diakonische Werk (DW) einen dringenden Ausbau der medizinischen Hilfe für Obdachlose. Eine Untersuchung der Todesursachen von knapp 400 Obdachlosen hatte ergeben, dass diese mit durchschnittlich 44,5 Jahren sterben. Zwei von dreien litten zu Lebzeiten an unbehandelten chronischen Krankheiten, die das Risiko, an einem einfachen Infekt zu sterben, stark erhöhen.
Derzeit arbeiten in Hamburg lediglich zwei Ärztinnen auf Stundenbasis und ein Mediziner auf einer halben Stelle für die über 4500 Menschen ohne feste Bleibe. Es sei dringend erforderlich, 4,5 feste Arztstellen zu schaffen und „dort, wo sich die Menschen aufhalten“, eine medizinische Betreuung anzubieten, fordert Peter Schröder-Reineke von der Obdachlosenhilfe des Diakonischen Werks. Nach Vorbild der Stadt Köln sollten sich die Kos-ten dafür Stadt, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung (KV) teilen.
Die BAGS will gerne über dieses Konzept sprechen, „es ist uns aber noch nicht bekannt“, sagt Winkelmann-Bade. „Wir sind zu Gesprächen darüber bereit“, sagt auch der Sprecher der KV-Hamburg, Stefan Möllers. Allerdings könne der Anstoß dazu nicht allein von der KV kommen. Vera Kahnert, Sprecherin der Ersatzkrankenkassen, hingegen winkt ab: „Wir dürfen nur für die bezahlen, die versichert sind. Sonst kriegen wir rechtliche Probleme.“ In Verhandlungen mit der BAGS hatten die Kassen bereits abgeleht, die bestehende Infrastruktur mit zu finanzieren.
„Wenn das in anderen Städten geht, findet man hier sicher auch einen Weg“, hofft dagegen Ute Winkelmann-Bade. Ein Angebot für psychisch kranke Obdachlose habe man bereits auf den Weg gebracht. Noch in diesem Jahr soll der Bau von zwölf betreuten Appartments auf dem Gelände der Herz As-Unterkunft in der Neustadt beginnen. Kaija Kutter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen