: Gewaltschutzgesetz
Nur wenige geprügelte Frauen stellen Strafanzeige. Sie ziehen den leiseren Weg eines Antrags auf Einstweiligen Rechtsschutz beim Amtsgericht vor. Aber die bisherige Praxis ist so uneinheitlich, dass die Bundesregierung ihren Aktionsplan gegen häusliche Gewalt mit einer Verbesserung dieses Rechtsweges umsetzt. Am 8. März 2001 passierte mit weitgehender Zustimmung der „Gesetzentwurf zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und bei Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung“ (GewaltschutzG) in erster Lesung den Bundestag.
Vereinfacht und erweitert wird die Möglichkeit der Familiengerichte, Schutzanordnungen zu erlassen, um das Verhalten prügelnder Männer zu regulieren. Berücksichtigt werden alle Formen des Zusammenlebens, auch die Trennungs- und Scheidungsphase. Nur der Rechtsschutz ist abgestuft: auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften werden ehelichen weitgehend angeglichen; bei losen Wohngemeinschaften kann künftig auch ein gewalttätiger Mitbewohner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor die Tür gesetzt werden.
Positiv bewerte ich die Reform des Verfahrens, die übersichtliche Systematik und die neuen Anspruchsgrundlagen vor allem bei nichtehelich Zusammenlebenden. Nach noch geltendem Recht kann nur die eheliche Wohnung der verletzten Person zugewiesen werden. Ansonsten gilt die mietrechtliche Norm, dass niemand – auch nicht der gewalttätige Mitbewohner – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seine Wohnung verlieren kann. Dieses Recht auf ein Dach über dem Kopf weicht nun dem Recht auf körperliche Unversehrtheit der mit dem Täter nicht verheirateten Mit- oder Vermieterin.
Negativ ist die polizeirechtliche Ausrichtung der Reformüberlegungen. In Anlehnung an das österreichische Wegweisungsgesetz setzt auch die Bundesregierung auf mehr polizeiliche Befugnisse und traut sich nicht, das Zivilrecht aufzurüsten. Dies zeigen die komplizierten Regelungen über die Vollstreckbarkeit. Sie lassen sich von Anwälten mühelos aushebeln. Netzwerke gegen häusliche Gewalt haben dies schon lange erkannt und angeregt, es dem erkennenden Zivilgericht zu überlassen, ob es den Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragt oder lieber gleich die Polizei.
Denn manche Familien kennt der Gerichtsvollzieher bestens. Bei anderen ist es besser, dem Randalierer mit der Polizei Einhalt zu gebieten. Letztere ist auch in örtlichen Netzwerken besser eingebunden und kennt das Netz der Helfer und Helferinnen. Die Polizei wäre in einem solchen Modell Vollstreckungsgehilfe und hätte – über den ersten Zugriff, den sie ohnehin hat, hinaus – keine originären Zuständigkeiten. Ihre Maßnahmen wären durch das Familiengericht überprüfbar.
Offenbar schien diese Lösung für die Vollstreckungsrechtler im Justizministerium ein unerhörter Systembruch zu sein, während sie sich in anderen Bereichen nicht scheuen, dem Strafrecht Systembrüche zuzumuten. So macht sich nach Paragraf 4 GewaltschutzG strafbar, wer eine vollstreckbare Anordnung missachtet, die ihm ein bestimmtes Verhalten untersagt, etwa vor dem Haus der früheren Partnerin zu warten. In der Sprache eines liberalen Strafrechtsverständnisses ist dies eine reine Ungehorsamsnorm. Hofft man wirklich darauf, dass ein Täter, der sich bereits einer Körperverletzung oder Nötigung schuldig gemacht hat, sich durch eine Strafdrohung im Bagatellbereich beeindrucken lässt? MONIKA FROMMEL
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