: Die dicken Kinder von Berlin
Untersuchung der Sozialverwaltung ergibt, dass Erstklässer immer fetter werden. Ostberliner Kinder sind am stärksten betroffen, wegen schlechter Ernährung. Türkische Schüler leiden häufiger an Übergewicht als deutsche
Jedes fünfte Kind türkischer Herkunft, das in Berlin eingeschult wird, ist zu dick. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die Sozialsenatorin Gabriele Schöttler (SPD) gestern vorgestellt hat. Mit über 20 Prozent liegt die Zahl der an Fettsucht leidender Kinder türkischer Herkunft damit fast doppelt so hoch wie bei deutschen Kindern.
Während der Kinderarzt Dietrich Delekat, der die Untersuchung mit durchgeführt hat, kulturelle und erbliche Gründe hinter dem Übergewicht vermutet, verweist Thomas Abel vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Berlin auf soziale Probleme: „Türkische Kinder neigen zu Frustessen.“ Dadurch versuchten sie, Schul- oder Isolationsprobleme auszugleichen. Als weiteren Grund sieht Abel die isolierte Wohnsituation türkischer Mitbürger, die zu einen Mangel an Bewegung führe.
Grundlage für die Senatserhebungen sind die Einschulungsuntersuchungen in den Bezirken. Daraus geht auch hervor, dass Kinder aus sozial schwachen Familien eher zu Übergewicht neigen als Kinder aus besser gestellten Familien.
Die sozialen Hintergründe spielen in dem Bericht der Senatsverwaltung aber nur bei den Deutschen eine Rolle. Mit sinkendem Sozialstatus erhöht sich das Fettsuchtrisiko der Kinder auf knapp das Doppelte. Ursache für diesen Unterschied ist laut Schöttler jedoch nicht der Geldbeutel, sondern die Unwissenheit über richtige Ernährung.
Insgesamt beträgt die Rate an Fettsucht bei allen Erstklässlern in Berlin 13 Prozent. Damit ist sie im Vergleich zu 1994 um etwa 1,8 Prozentpunkte gestiegen. Alarmierend ist, dass dieser Anstieg allein durch die Kinder aus den Ostberliner Bezirken verursacht wird. Während der Anteil an Fettsüchtigen bei allen anderen Kindern praktisch gleich geblieben ist, hat er bei dieser Guppe in nur fünf Jahren um mehr als 20 Prozent zugenommen.
Über die Ursache für die negative Entwicklung im Osten lasse sich nur spekulieren, sagte Schöttler. Sie vermute, dass Fast Food sowie ungesunde Produkte aus den Supermärkten eine Rolle spielen. Als Konsequenz will die Senatorin nun gemeinsam mit den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen eine Informationskampagne starten. Ab Herbst soll ein spezielles Gremium anhand der nun vorliegenden Daten gezielte Präventionsmaßnahmen entwickeln. SILKE KATENKAMP
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