: Das Ausland zögert
Während die USA ein Sanktionsgesetz vorantreiben, missachtet die EU die Frist, die sie Mugabe gesetzt hat
von DOMINIC JOHNSON, FRANÇOIS MISSERund MARTINA SCHWIKOWSKI
Farmer sprechen von „ethnischer Säuberung“, Oppositionsgruppen von einer „Terrorkampagne“, und immer mehr ausländische Staatschefs machen sich „ernsthafte Sorgen“: Das Vorgehen regierungstreuer Milizen in Simbabwe gegen Gegner des Präsidenten Robert Mugabe wird immer brutaler. Farmen weißer Großgrundbesitzer werden reihenweise zerstört; Zehntausende von Farmarbeitern sind vertrieben; Milizen aus so genannten Kriegsveteranen – in Wahrheit gedungene Jugendliche – begehen täglich Übergriffe gegen Oppositionsanhänger; unabhängige Journalisten werden verhaftet, ausländische Berichterstatter ausgesperrt.
Da im Land selbst offenbar niemand diese Entwicklung aufhalten kann, wird nun über internationale Sanktionen gegen Simbabwe diskutiert. Hardlinern im Mugabe-Regime gibt dies Anlass, sich als Opfer darzustellen und mit dem Ausnahmezustand zu drohen. Doch die Uneinigkeit des Auslands verhindert, dass tatsächlich etwas passiert.
In diesen Tagen läuft eine Frist ab, die der EU-Ministerrat Simbabwe am 25. Juni gesetzt hat, um die Repression zu beenden. Andernfalls würden nach 60 Tagen „weitere Maßnahmen“ ergriffen. Kanada brach bereits Mitte Mai seine Zusammenarbeit mit Simbabwe ab; der US-Senat verabschiedete am 2. August ein Sanktionsgesetz „für Demokratie und wirtschaftliche Erholung in Simbabwe“, das neben dem Abbruch sämtlicher institutioneller Kontakte Einreiseverbote gegen Mugabe und die Führung seiner Partei verhängt. Dieses Gesetz soll im September vom Repräsentantenhaus bestätigt und von Präsident Bush unterzeichnet werden.
Die 60-Tage-Frist der EU verstreicht jedoch ergebnislos. Wie die taz aus Kreisen der EU und der Bundesregierung erfuhr, wird sich der EU-Ministerrat erst am 8. Oktober mit der Zukunft der Zusammenarbeit mit Simbabwe beschäftigen. Im April hat die EU-Kommission 53 Millionen Euro für Simbabwes Bildungs- und Gesundheitswesen bewilligt, obwohl das Europaparlament zuvor den Abbruch der Entwicklungshilfe verlangte. EU-Vorbereitungen für Wirtschaftssanktionen bedürfen nach Aussage des zuständigen EU-Kommissars Poul Nielson aus Dänemark einer „gemeinsamen Position der Union“. Diese beschränkt sich bislang darauf, einen „politischen Dialog“ mit Simbabwe im Hinblick auf die für April 2002 geplanten Präsidentschaftswahlen zu führen.
„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, heißt es zur EU-Gemächlichkeit aus Regierungskreisen in Berlin. Deutschland ist eines der Länder, die eine härtere Gangart gegen Mugabe fordern, zusammen mit der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien und den skandinavischen Ländern. Frankreich und auch Belgien sind dagegen. Aus Sicht Belgiens, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat und die Lösung des Kongo-Konflikts zu einer außenpolitischen Priorität erklärt hat, spielt Simbabwe als militärische Schutzmacht der Regierung Kabila im Kongo eine zu wichtige Rolle, um bedenkenlos international isoliert werden zu können. Simbabwes Militärpräsenz im Kongo sei ein „Stabilitätsfaktor“, sagte Belgiens Außenminister Louis Michel im Juni.
Aus deutscher Sicht ist ohnehin entscheidender, wie sich die afrikanischen Nachbarn Simbabwes verhalten. Die zuständige Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) bewegt sich jedoch nur zögerlich. Auf dem letzten SADC-Gipfel in Malawi vergangene Woche verlor Simbabwes Präsident zwar den Vorsitz des wichtigen SADC-Sicherheitsorgans und die Organisation bildete einen Krisenstab zu Simbabwe mit Vertretern aus Südafrika, Mosambik und Botswana. Südafrika aber, die Großmacht der Region, tritt nach wie vor auf die Bremse.
„Wir sind gegen jegliche Sanktionen“, bestätigt Südafrikas Regierungssprecher Bheki Khumalo. „Sanktionen haben keinen Sinn, denn wir werden den Effekt sofort zu spüren bekommen, da Horden von Menschen über unsere Grenzen kommen.“ Stattdessen müsse Südafrika an Gesprächen festhalten. Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki legt seine Hoffnungen auf einen für den 6. und 7. September geplanten Besuch einer Gruppe von Commonwealth-Außenministern in Simbabwe.
Im Commonwealth stehen die heftigsten Debatten über den Umgang mit Robert Mugabe an. Am 12. Oktober beginnt in Australien der alle zwei Jahre stattfindende Commonwealth-Staatengipfel; Menschenrechtsgruppen fordern unter Berufung auf die einstigen Commonwealth-Sanktionen gegen Nigeria, Simbabwe zu ächten.
Der Commonwealth-Gipfel, der wenige Tage nach den geplanten Beratungen der EU-Außenminister stattfindet, dürfte die internationale Aufmerksamkeit auf die Krise lenken. Beobachter im Land rechnen ab Oktober mit Hungerunruhen, da dann die Regenzeit beginnt und die schon jetzt steil ansteigenden Lebensmittelpreise angesichts der Missernten dieses Jahres ins Unermessliche schießen könnten. Wenn Mugabe als Bittsteller für sein ruiniertes Land dasteht, mag er kompromissbereiter sein als heute. Aber die Überlebensfähigkeit der Bevölkerung wird durch die internationale Politik des Abwartens über die Maßen strapaziert.
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