: Den Grünen reicht’s
Unmut über Schilys Einwanderungspläne wächst. Cem Özdemir: Keine weiteren Zugeständnisse. Notfalls lieber nur Teilgesetz verabschieden
BERLIN taz ■ Cem Özdemir hatte sich bisher stets vornehm zurückgehalten. Wie alle anderen grünen Bundespolitiker reagierte der innenpolitische Sprecher Anfang August ganz gelassen auf das Einwanderungskonzept von Innenminister Otto Schily (SPD). Özdemir meinte damals sogar: „Die Kröten sind nach rechts und links gut verteilt.“ Doch nun ist auch ihm der Appetit vergangen.
Özdemir räumte gestern ein, dass viele Grüne mit dem Gesetzentwurf unzufrieden sind: „Das Grummeln gibt es nicht nur in Bremen, das gibt es auch bei mir, das gibt es bei uns allen“, sagte Özdemir der taz. Der Bremer Landesverband hatte sich Mitte der Woche als Erster hervorgewagt und deutliche Kritik geübt. Wie gestern zu erfahren war, regt sich auch in anderen, größeren Landesverbänden der Widerstand gegen Schilys Pläne. Am Montag wird der Bundesvorstand über das Thema Einwanderung beraten. Auch unter den Bundestagsabgeordneten wächst nach Lektüre des 250-seitigen Schily-Entwurfs offenbar der Unmut: „Meine Fraktion hat dringenden Diskussionsbedarf“, sagte Özdemir. Die Grünen stört vor allem die geplante Absenkung des Familiennachzugsalters, aber auch „Regelungen im Flüchtlingsschutz, etwa bei Opfern geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung“.
Schon die Schily-Pläne sind für die Grünen also schwer zu verdauen. Weitere Zugeständnisse kommen für Özdemir deshalb überhaupt nicht in Frage. Die Forderungen der Union vom Donnerstag nach einer stärkeren Begrenzung der Einwanderung und einer Beschleunigung der Asylverfahren lehnt er ab: „Es kann nicht so enden, dass nachher CSU-Positionen in Reinform von Rot-Grün abgesegnet werden.“
Sollte die Union auf ihren Forderungen beharren, schließt Özdemir nicht aus, dass die rot-grüne Koalition das geplante Einwanderungs- und Integrationsgesetz zunächst nur in Teilbereichen verabschiedet: „Ich könnte mir vorstellen, dass man sich auf den Einwanderungsteil beschränkt und die anderen Teile in dieser Legislaturperiode nicht mehr schafft.“ In den Bereichen Integration, Ausländerrecht und humanitäre Fragen sieht Özdemir im Moment wenig Chancen für eine Einigung: „Bevor wir da im Schweinsgalopp Irrsinn beschließen, ist es vielleicht sinnvoller, noch einmal nachzudenken.“ LUKAS WALLRAFF
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