Die Waffenlisten sind schon erstellt

Heute beginnt die Nato damit, die Waffen der albanischen Rebellen in Mazedonien einzusammeln. Gestritten wird noch um die Zahl. Die UÇK will eine „Reststruktur“ aufrecht erhalten. Die vergiftete Atmosphäre und das Misstrauen bleiben

aus Tetovo ERICH RATHFELDER

Die britischen Jeeps mit der Aufschrift „TFH“ rasen an den verdutzten mazedonischen Polizisten und Soldaten vorbei, die am Stadion der Stadt Tetovo Wache halten. Von hier aus führt die Straße in das Gebiet der albanischen Rebellen. Die „Task Force Harvest“, für die das Kürzel auf den Nato-Militärfahrzeugen steht, hat schon seit Tagen begonnen, über die abzugebenden Waffen mit den Rebellen zu verhandeln. Denn die Soldaten, die in den Fahrzeugen sitzen, sind jene Spezialisten, die die Aktion der Nato vorbereiten sollen.

„Es waren Briten, Franzosen, Kanadier und Griechen dabei, die bei uns vorbeigeschaut haben,“ sagt der Kommandant der 112. UÇK-Brigade, der auf den Kriegsnamen Hoxha hört. In seinem Hauptquartier in Dobroste, einem Dorf, das an der Straße Tetovo–Kosovo gelegen ist, stehen ein paar Soldaten herum. Viele von ihnen haben Zivilkleidung angezogen, manche jedoch tragen noch die schwarze Uniform der „Nationalen Befreiungsarmee“.

Die meisten Soldaten der UÇK, „sind nach Hause gegangen“, sagt der Chef, der einst Student in Wien war und „möglichst schnell“ wieder über seinen Büchern sitzen will. Er trägt Jeans und hat sein Mountainbike an die Hauswand gelehnt. Wie viele Waffen die eigene Brigade abgeben wird, will Hoxha nicht verraten. Aber die Nato habe die Liste schon erhalten, sagt er.

Wenn heute mit dem Einsammeln der Waffen begonnen wird, werden die Waffen, die von der UÇK „freiwillig“ abzugeben sind, schon an den Sammelstellen bereit liegen. Über das Wie gibt es keine Konflikte mehr, über die Anzahl der Waffen schon. Denn die Nato fordert insgeheim weit mehr Waffen, als die UÇK abgeben will. Wenn US-Quellen von 4.500 Waffen sprechen und nach einem Bericht der Sunday Times britische Militärquellen von 8.700 ausgehen, dann sind Konflikte abzusehen, wenn die UÇK auf ihrem Angebot von 2.500 bis 3.000 Waffen beharren sollte.

Nach wie vor gilt, dass die UÇK die Waffen freiwillig abzugeben habe. Doch es steht der Ruf der Nato auf dem Spiel, wenn sie zu sehr übers Ohr gehauen wird. Die vom mazedonischen Verteidigungsministerium genannte Zahl von 60.000 bis 80.000 Waffen wird aber von westlichen Quellen als viel zu hoch eingestuft. Kommandant Hoxha lächelt dazu. „Das ist ein politisches Spiel und gehört zum Propagandakrieg. Die wollen der Nato am Ende nachweisen, dass ihre Mission gescheitert ist, und damit legitimieren, wieder selbst zu den Waffen zu greifen.“

In der Tat geht der Propagandakrieg weiter. Nach wie vor leugnet Hoxha, etwas mit der Zerstörung des nahe gelegenen orthodoxen Klosters von Lesok zu tun zu haben. Die Version der UÇK ist, dass bei dem Artilleriebeschuss des albanischen Ortes Neprosteno am letzten Montag eine Granate das von der Armee verminte Kloster traf und Explosionen auslöste. Die Regierung dagegen beschuldigt die UÇK, das Kloster gesprengt zu haben. In Neprosteno wurde Tags zuvor die Moschee durch mazedonische Artillerie zerstört. Racheakte „unkontrollierbarer Elemente“ sind also nicht ausgeschlossen. Die albanische Bevölkerung wiederum verweist auf die unberührten orthodoxen Kirchen im UÇK-Gebiet, so im Nachbarort Tearce. „Wir Albaner führen keinen Religionskrieg.“

Nur eine Untersuchungskommission unabhängiger Experten könnte die Wahrheit ans Licht bringen. Die Nato aber will bisher nichts von solchen Aufgaben wissen. Wie von der Untersuchung der Bombenexplosion, die am Sonntagmorgen das dem mazedonischen Staat gehörendem Hotel Brioni nahe Tetovo zerstörte und zwei Wachmänner tötete. So etwas kann den Friedensprozess empfindlich stören. Wieder macht die Regierung die UÇK verantwortlich, die die Beschuldigung zurückweist. Was bleibt, ist eine aufgeheizte Atmosphäre in der Bevölkerung.

„Wir haben politisch einiges erreicht, warum sollten wir das gefährden“, sagt Hoxha. Das Misstrauen aber bleibt. „Wir Albaner“, so Unterkommandant Leshi, „müssen weiter auf der Hut sein, wir können den Mazedoniern nicht trauen, weil sie paramilitärische Truppen aufbauen.“ Auch die müssten entwaffnet werden. Er freue sich, dass seine Uniform bald im Schrank liegen wird. „Wenn die Nato hier Patrouille fährt, können wir wieder ruhig schlafen.“ Doch beide deuten an, dass die albanischen Kämpfer jederzeit wieder mobilisiert werden können. Eine Reststruktur der UÇK werde bestehen bleiben. Wenn die Albaner angegriffen würden, könnten sie sich auch in Zukunft verteidigen.