Hells Angels vor Gericht

Mitglieder der 1983 verbotenen Rockerbande müssen sich in Hamburg wegen Menschenhandels verantworten. Prozess wird mindestens eineinhalb Jahre dauern

529 Seiten Anklageschrift, 469 ZeugInnnen, Prozesstermin bis Ende 2002

HAMBURG taz ■ Im größten Kiez-Verfahren der Hamburger Geschichte wurde gestern die Anklage verlesen: Die Staatsanwaltschaft wirft sieben mutmaßlichen Mitgliedern der verbotenen Rocker-Gruppe „Hells Angels“ schweren Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Einschleusen von AusländerInnen, räuberische Erpressung und Körperverletzung vor.

Die Männer im Alter zwischen 26 und 55 Jahren sollen im Rotlichtmilieu rund um die Reeperbahn seit 1999 das Sagen gehabt haben. Spätestens im September 1998, so die Anklage, hätten sich die Angeklagten zusammengeschlossen, um in St. Pauli Bordelle und so genannte Steigen zu betreiben. Seit 1999 dann hätten sie unter anderem die Großbordelle „Pascha“ und das „Eros-Laufhaus“ geführt. Dort hätten sie auch ausländische Frauen als Prostituierte beschäftigt, die sich illegal in Hamburg aufhielten. Die Angeklagten sollen den Frauen vorgeschrieben haben, zu welchen Zeiten sie zu arbeiten hatten, wie viel Geld sie für die einzelnen sexuellen Dienste kassieren und wie viel sie bei ihren Zuhältern abliefern sollten.

200 Mark Miete kassierten die Männer von den Frauen pro Tag. Hinzu kam so genanntes „Wirtschaftertrinkgeld“ für die Zuhälter. Blieben die geforderten Beträge aus, wurden die Frauen laut Anklage mit Schlägen und Tritten bestraft. Deutsche Frauen verdienten pro Freier 100 Mark. Ausländische Frauen mussten ihre Kunden schon für 50 Mark bedienen.

Während des Verfahrens, für das Prozesstermine bis Ende 2002 festgesetzt sind, gilt höchste Sicherheitsstufe. Selbst die Vollzugsbediensteten, die die Kiezgrößen aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal führen, werden mit Metallsonden abgetastet. Die Anklageschrift umfasst 529 Seiten. 469 ZeugInnen sind geladen. Viele der Frauen stehen unter Polizeischutz.

Von den sieben Angeklagten sitzen fünf in Untersuchungshaft. Darunter befindet sich der mutmaßliche „Präsident“ der Hells Angels, der 36-jährige Frank H. aus Hannover. Er soll die Machtübernahme auf der Reeperbahn gesteuert haben. Der ehemalige Boss der Hannoveraner Rocker-Bande „Bones“ gilt als derjenige, der die zunächst verfeindeten Banden zusammenführte – und dadurch einen der weltweit mächtigsten Rockerclubs schuf. Einige der Angeklagten haben vor der Polizei ausgesagt. Ihre Geschäfte auf dem Kiez räumten sie dabei teilweise ein. Die Verteidigungsstrategie zielt offenbar darauf ab, die Mitgliedschaft bei den seit 1983 in Hamburg verbotenen Hells Angels zu leugnen. ELKE SPANNER