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Hundert Tage Schwarz-Grün

Die bürgerliche Koalition in Saarbrücken richtet ein Multikulti-Amt ein und privatisiert die Eigenbetriebe

SAARBRÜCKEN taz ■ Erst seit hundert Tagen regiert eine schwarz-grüne Koalition die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken und hat schon einiges bewegt. Ein Amt für multikulturelle Angelegenheiten soll demnächst die Arbeit aufnehmen und eine Verordnung für die direkte Beteiligung der Bürger an der „Gestaltungsarbeit Stadt“ wird erlassen.

Um das in 25 Jahren sozialdemokratischer Alleinherrschaft in Saarbrücken „erwirtschaftete“ Haushaltsdefizit abzubauen, wollen CDU und Grüne darüber hinaus die Zahl der Eigenbetriebe der Kommune durch Privatisierung verringen. So soll wieder Geld in die leere Stadtkasse kommen. Das wird dringend gebraucht für Projekte der Koalition, die noch im Verlauf dieser Legislaturperiode bis 2004 realisiert werden sollen.

Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und Grünen, Martin Karren (39) und Kajo Breuer (53) wissen ganz genau: Nur wenn sie am Ende der Legislaturperiode tatsächlich Erfolge vorweisen können, werden sie die Rückkehr der „arroganten Sozialdemokraten“ (Breuer) an die Macht verhindern können.

Das wissen auch die Sozialdemokraten. Vor allem Oberbürgermeister Hajo Hoffmann hat in diesen Zeiten der „schwarz-grünen Zumutung“ (SPD) versucht, der neuen Mehrheit schon die ersten Erfolge streitig zu machen. Das Amt für multikulturelle Angelegenheiten sei „plötzlich eine Idee von Hoffmann gewesen“, echauffierte sich Breuer. Und als es um die Neubesetzung einer Dezernentenstelle im Magistrat ging, mussten CDU und Grüne erst vor das Verwaltungsgericht ziehen, um eine freie Stellenausschreibung durchzusetzen. Hoffmann interpretierte die Kommunalverfassung dahin gehend, dass nur der OB ein Vorschlagsrecht bei der Besetzung einer Position im Magistrat habe, das Stadtparlament könne seinen Kandidaten dann nur noch wählen oder ablehnen. Das Gericht sah das anders: Die Macht liege in der Hand der Volksvertreter.

Bis 2004 wollen CDU und Grüne die vier noch von Sozialdemokraten gehaltenen Positionen im Magistrat mit eigenen Leuten besetzten. „Das muss sein“, sagt Karren. Denn die neuen Partner hätten es nicht nur mit dem widerborstigen und zu keiner Zusammenarbeit bereiten OB zu tun, sondern auch mit einer sozialdemokratischen Verwaltung. Aber auch da, so Breuer, bröckele die Ablehnungsfront. Unter vier Augen würden auch leitende Beamte mit einem SPD-Parteibuch in der Tasche einräumen, dass es „höchste Zeit für einen Wechsel“ gewesen sei.

OB Hoffmann könnte bald stolpern – über seine eigene Affäre. CDU und Grüne hätten dann ein Problem weniger. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Hoffmann wegen zweifacher Untreue zum Nachteil einer städtischen Gesellschaft. Es soll zu „Unregelmäßigkeiten“ beim Bau seines Privathauses gekommen sein. Der OB will das Verfahren durchstehen. Rücktrittsforderungen von CDU und Grünen lehnte er bislang strikt ab. Jetzt aber kommt Kritik auch aus der eigenen Partei. Er solle das Oberbürgermeisteramt bis zum Ende der anstehenden Hauptverhandlung zumindest ruhen lassen, sagte der saarländische Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzende Heiko Maas.

Am Dienstagabend verabschiedete das Stadtparlament mit den Stimmen von CDU und Grünen eine Rücktrittsresolution an die Adresse von Hoffmann. Der ließ sich nicht blicken. Ein Signal für einen bevorstehenden Rücktritt? Karren und Breuer mögen daran noch nicht glauben. Und wie steht es ansonsten um die Befindlichkeit der Koalitionäre? „Abfärben“ würde nichts, sagt Breuer: „Ich bleibe grün. Und Karren ist noch immer so schwarz, dass er im Kohlenkeller einen Schatten wirft.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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