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Wim Duisenberg bringt Bares

aus Frankfurt am Main HERMANNUS PFEIFFER

Europas neue Scheine kommen daher wie die herrschenden politischen Ideen von Währungsunion und europäischem Einigungsprozess: nicht unsympathisch zwar, aber doch ohne klare Konturen, pochend unbestimmt und energisch vage. Heute präsentiert Präsident Wim Duisenberg in Frankfurt erstmals seine neuen Noten im Original.

An der Sicherheit der Scheine wurde gefeilt: Sie beginnt beim Spezialpapier mit seiner eigentümlichen Oberflächenstruktur, die Fälschern das Leben erschweren soll. „Allerdings wird es immer Fälschungsversuche geben“, warnt der Bankenverband vorsorglich, besonders in der Anfangsphase, wenn sich „das Gefühl“ für das neue Geld erst entwickele. Die Euroscheine werden auch mit optischen Besonderheiten, mit fluoreszierenden Fasern, einem Sicherheitsfaden und ertastbaren Zeichen für Blinde versehen. Und sie werden maschinenlesbare Merkmale aufweisen, damit nicht allein der Schalterbeamte in der Bank, sondern auch Geldgeräte und Kassenterminals den Euro erkennen. „Damit können Automaten deren Echtheit verlässlich feststellen“, freut sich die Bundesbank. Top Secret bis zur heutigen Pressekonferenz ist noch das vom Wiener Zentralbanker Robert Kalina entworfene Wasserzeichen.

Auf den ersten Blick scheint auf den neuen Geldscheinen alles klar zu sein. Markante Torbögen in Grün, gigantische Brücken in Gelb und romantische Fenster in Blau verschönern die Noten. Ihr antinationaler Schönheitsfehler: Es sind keine realen, nationalen Bauwerke abgebildet, sondern lediglich farbige Fiktionen. Den kürzlich ein wenig aufgerichteten schiefen Turm von Pisa oder den eigentlich doch unerlässlichen Eiffelturm sucht man vergeblich. Diese Zurückhaltung dürfte sich für Duisenberg und seine Europäische Zentralbank (EZB) noch bezahlt machen, denn mit ihrem Verzicht auf reale Bauten und echte nationale Symbole vermeiden sie Ärger. Nach welchem Proporz und welchen Regeln hätten sonst zwölf Eurostaaten auf sieben Scheine gebannt werden sollen? Dank dieses Sachzwanges hielt sich Mitte der Neunzigerjahre das Gerangel um ein flottes Outfit des Euro auch in den Grenzen jeglicher Staatsraison, nämlich hinter verschlossenen Türen. Aber auch dort soll es geziemend zugegangen sein.

Das tatsächliche Aussehen der Scheine verdanken wir Robert Kalina. Im Februar 1996 hatte der Vorläufer der EZB, das Europäische Währungsinstitut (EWI), einen Gestaltungswettbewerb für die Eurobanknoten ausgeschrieben. Ein Dutzend Zentralbanken ließ Serien von jeweils sieben Banknoten entwerfen. Insgesamt wurden 44 Entwürfe eingereicht. Vorgegeben waren allerdings zwei Themenbereiche, die wahlweise oder gleichzeitig verwendet werden durften – „Zeitalter und Stile Europas“ oder ein „abstrakt/modernes“ Thema. Im selben Jahr traf eine Expertenjury aus Marketing, Werbung, Design und Kunst eine Vorauswahl mit den vermeintlich besten fünf Entwürfen aus jedem der beiden Themenbereiche. Die öffentliche Akzeptanz dieser Entwürfe wurde durch eine Befragung von – laut Bundesbank – „etwa 2.000 Personen“ aus der gesamten Europäischen Union getestet. Befragt wurden professionelle Bargeldbenutzer wie auch so genannte Angehörige der breiten Öffentlichkeit.

Herr Kalina aus Wien

Als Sieger des Contests ging Robert Kalina von der Österreichischen Nationalbank hervor. Von Beruf ist der Wiener Banknotendesigner. „Kein Job mit viel Leerlauf“, sagt Kalina und verweist darauf, dass Österreichs Noten alle zehn bis fünfzehn Jahre erneuert würden. In der Zwischenzeit schafft Kalina Entwürfe oder arbeitet an neuen Sicherheitskonzepten. Für das Eurokonzept hatte der Künstler 1996 nur sechs Monate Zeit, und erst sehr spät kam ihm die bahnbrechende Idee. Kalina wollte keine Porträts, „weil sie anonym sinn- und wertlos sind“. Hingegen sollen fast alle Wettbewerbsentwürfe auf Porträts gesetzt haben. Kalina suchte nach etwas anderem, nach Motiven mit „symbolischem Hintergrund“, erzählt er der taz. Das erste Symbol waren dann „Brücken“. Am 13. Dezember 1996, entschied sich der EU-Gipfel für Kalinas Entwürfe.

Die Eile der Geldschaffung zeigt, wie wichtig es den EU-Machern war, keine ausufernden Diskussionen über das Layout von Scheinen und Münzen aufkommen zu lassen. Dies dürfte auch heute nach der außerordentlichen Pressekonferenz in der Frankfurter Neuen Oper gelingen, auf der ein charmanter Präsident Duisenberg ab 15 Uhr der staunenden Welt den jungen Konkurrenten des Dollar erstmals live darbietet. Zu verfolgen ist das Ereignis im Internet unter http://europa.eu.int/comm/ebs/index_en.html.

Fenster, Tore, Brücken

Baustile aus sieben Epochen der europäischen Kulturgeschichte sind auf die sieben Eurobanknoten zwischen 5 und 500 Euro (9,78 bzw. 977,92 DM) gedruckt: Klassik, Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und Rokoko, Eisen- und Glasarchitektur sowie die moderne Architektur des 20. Jahrhunderts. Die sieben Baustile werden jeweils durch drei architektonische Elemente charakterisiert: Fenster, Tore, Brücken. Die Vorderseite jeder Banknote zeigt dank Kalina nicht irgendwelche verstaubten Perücken oder stilisierten Jubeleuropäer, sondern flotte Fenster und Portale und zwar als „Symbole der Offenheit und Zusammenarbeit“ in der Europäischen Union, wie die EZB betont. Die Rückseite zeigt jeweils eine gestaltete Brücke. Diese symbolisiert die „Verbindung zwischen den Völkern Europas“ und „dem Rest der Welt“ – so wortwörtlich EZB und das deutsche Finanzministerium.

Jede(r) mag die Scheine anschauen und frei assoziieren oder seine Urlaubserinnerungen mit den Euro-Bildchen abgleichen. Die persönlichen Noten werden gewiss unterschiedlich ausfallen. Ich gebe eine 2 (für eine 1 fehlt der globale Bezug zum „Rest der Welt“). Zweifelsohne gering wird jedoch der Andrang von Schöngeistern auf den 500-Euro-Schein sein. Ausgerechnet der teuerste weckt finstere Gedanken an Brüssels Büroghettos.

Nationale Alleingänge, wie mancherorts diskutiert, wurden bei den Scheinen rechtzeitig unterbunden. Die Euro-Noten sehen daher in jedem Mitgliedsstaat der Währungsunion gleich aus. Das schaut bei den Münzen schon ganz anders aus. Die acht Euro-Münzen (zwischen 1 Cent und 2 Euro) wird uns Duisenberg wahrscheinlich am 4. September erstmals im Original präsentieren. Die Vorderseiten – entworfen von dem belgischen Künstler Luc Luycx – sind europaweit einheitlich, aber sie werden eine sogenannte nationale Rückseite tragen. Die deutschen Münzen zieren Eichenzweige, Brandenburger Tor und der Bundesadler. Belgien und Spanien werden ihre gekrönten Häupter Albert II. und Juan Carlos aufprägen und Italien Leonardo da Vinci.

Countdown läuft seit März

Mit dem heutigen Tag beginnt zwar die heiße Phase der Euroeinführung, aber an sich ist der Euro längst da, und zwar in Form von Buchgeld auf Konten und Wertpapieren. Seit mehr als zwei Jahren ist der Euro nämlich offizielle Währung in elf, und nachdem Griechenland dazukam, in zwölf von fünfzehn Ländern der Europäischen Union.

Nach dem „Gemeinsamen Konzept für die Inverkehrgabe von Euro-Bargeld“ werden in Deutschland die ersten Euros ab dem 1. September an alle Kreditinstitute ausgeliefert, die ihrerseits damit Handel und Unternehmen versorgen. Bis Ende 2001 müssen im ganzen Euroland rund 13 Milliarden Geldscheine ausgetauscht werden. Die Kosten werden von der Aktionsgemeinschaft Euro allein in Deutschland auf 1,9 Milliarden Mark geschätzt. Allerdings hätten viele alte Scheine ohnehin bald durch neue ersetzt werden müssen.

Scheine erhalten wir frühestens an Neujahr, denn erst ab dem 1. Januar werden sämtliche Bargeldabhebungen in Euro ausgezahlt. Schon in der Silvesternacht sollen nach 24 Uhr in vielen Geldautomaten neue Banknoten bereitliegen. Am folgenden Werktag, einem Mittwoch, soll auch der Geldautomat im hintersten Winkel der Republik eurokompatibel laufen. Alle Scheine werden übrigens problemlos in unsere alten Portemonnaies passen, denn sie sind teilweise sogar deutlich kleiner als unser herkömmliches Papiergeld. Im Gegensatz zu den Scheinen im Monopoly-Spiel sind sie nach Größe sortiert, der Fünfer misst nur 120 mal 64, der Fünfhunderter immerhin 160 mal 82 Millimeter.

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