piwik no script img

Sag, wo sind eigentlich die 50 Mark?

■ Die Bremer Kabarettistin Francesca de Martin zetert im Güterbahnhof ums liebe Geld: bekannte Sorgen und Nöte, dazwischen Höhepunkte des Kabaretts. G.E.L.D., ein Stück wie eine Schachtel Pralinen

Da sitzt diese zierliche, stachelhaarige Italienerin auf ihrem hellrosa Fellsofa, säuft Rotwein und will nicht über Geld reden. Hat es satt, sagt sie. Will nicht mehr. Ist ihr zu viel, Sozialhilfe, Kindergeld, Alimente. Da gebe es doch weißgott Wichtigeres im Leben.

Die kleine Italienerin heißt Francesca de Martin und ihr neues Programm, das sie im Güterbahnhof spielt, trägt den Namen G.E.L.D. Aber sie, sie redet lieber übers Wetter. „Ihr seid hier falsch“, blökt sie das Publikum an, „könnt euch die Karten an der Kasse zurückholen.“ Und sie fängt an, übers Wetter zu reden. Über Norditaliener und ihre Vorstellungen davon. Wurden eigentlich jemals innovative Witze über das Wetter in Bremen gemacht? Unwahrscheinlich, das schafft auch die beste Kabarettistin nicht. Aber dann redet sie doch über Geld, wie es der Programmtitel verspricht. De Martin schlüpft in einen doppelreihigen blauen Mantel, setzt Wollmütze und Fischaugenbrille auf und zieht eine Schnute. Aha. Da haben wir also die Figur des Fischaugendödels, auch nicht wirklich neu.

So erzählt sie dann vom Kaffeeklatsch der Währungen, von den seelischen Abgründen eines jammernden Euroscheins („Ich habe nicht mal ein Gesicht bekommen, sehe aus wie Monopoly-Geld.“), von der unglücklichen Liebe des Hundert-Mark-Scheins J5 und gibt Geldsack-Poesie zum Besten. De Martin ist um einiges sympathischer und ernstzunehmender, wenn sie wieder als kleine Italienerin auf dem Fellsofa hockt. Ein verbittertes Rasseweib, dessen feuriges Ich sich nach 20 Jahren Deutschland im Nieselregen verabschiedet hat. Eine Mutter, die in Griechenland nach ihrer inneren Göttin sucht und sich von ihrer 13-jährigen Tochter Geld für ihre Selbstfindung borgen muss. „Wo sind denn die 50 Mark schon wieder hin“, fragt sie sich. „Montags Brigitte, dienstags Petra, mittwochs Marie Claire und dann zwei Flaschen Bardolino um das Ganze zu verstehen.“

Nein, das ist nicht nötig, so tiefgründig sind die Witze nicht. Francesca de Martin spielt eine Frau, die sich vom heutigen Schönheitswahn, Entspannungszwang und Psycho-Test-Getue überrannt fühlt, die die Welt nicht mehr versteht, sich in ihrem Zimmer einschließt und von wilden Orgien mit dem polnischen Müllmann träumt. Und dann ist da noch die Figur der Tochter Bettina, die tough den finanziellen Haushalt schmeißt, Zinseszinsberechnungen aufstellt und nie im Leben so enden will, wie ihre Mutter („Du hast eine Haut wie Rauhputz“).

Francesca de Martins Show ist eigentlich genau wie eine Pralinenmischung: Der größte Teil schmeckt überhaupt nicht, einige Teile schluckt man so ohne Gefühl. Die paar Pralinen aber, die schokoladig-lecker auf der Zunge zergehen, sind wirklich Kunststücke der Kabarettkunst. De Martin versteht sich darauf, Gestik und Mimik schlaksiger 13-Jähriger treffsicher nachzuahmen oder die Blicke fünfjähriger Mädchen an der Hand der Mutter, wenn diese sich am FKK-Strand mit Freunden unterhält. Dabei ist sie – von der Figur des Fischaugen-Dackels einmal liebend gerne abgesehen – ganz die Klischee-Italienerin: aufbrausend, temperamentvoll, hysterisch, lautstark. Mamma mia.

Zwischen dem ganzen Drumrum-Gezeter sitzen dann allerdings doch ein paar kleine, fast philosophische Gedanken. „Man sagt ja immer: Weniger ist mehr. Nun sind aber 50 Mark doch weniger als 100 Mark. Sehr viel weniger sogar. Da fragt man sich doch: Ab wieviel weniger ist weniger mehr. Und wieviel mehr denn?“ Tja, das herauszufinden, bleibt dem Zuschauer selbst überlassen. spo

Francesca de Martin zeigt ihr Programm G.E.L.D. noch bis zum 2. September täglich um 20.30 Uhr beim Jungen Theater im Güterbahnhof.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen