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IFA zum Jagen und Sammeln

Die Zeiten, als die Internationale Funkausstellung die große Bühne der Fernsehsender war, sind vorbei. Dabei will das Publikum nicht kaufen, sondern vor allem unterhalten werden. Und beschenkt.

aus Berlin ANNIKA HOSSAIN und KARIN WENGER

Zwei Ballonberge wanken über das Gelände. Der unsichtbare Besitzer stolpert über seine bis oben hin gefüllte Tragetasche, auf der in fetten Lettern das ARD-Logo prangt. Ein Ballon fliegt davon. Doch das hält den Mann nicht auf. Immerhin sind noch vier weitere an seinem Rucksack festgeknüpft.

Es gibt viele Gründe, die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin, die noch bis Sonntag dauert, zu besuchen: Man kann Multimedia-Home-Platform-Boxen, DVD-Rekorder oder andere neueste Wunderwerke der Technik bestaunen. Man kann sich über das digitale Zuhause der Zukunft Gedanken machen oder auch die Auswirkungen der Krise in der Unterhaltungselektronik aufzuspüren versuchen. Man kann aber auch wegen der Luftballons kommen und wegen des Drumherum. Und in diesem Jahr haben die Veranstalter sich damit besonders viel Mühe gegeben.

Jugendliche wurden in den IFA Young Media Park und die IFA Young Media World gelockt, wo die Stände ganz auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe ausgerichtet sind. Das heißt vor allem, dass sie mit Werbegeschenken wie Schlüsselbändern, Bonbons oder eben Ballons ausgestattet sind. Mit Firmenlogo natürlich. Außerdem werden Events der Spitzenklasse geboten. Todesmutige Mountainbike-Akrobaten oder die angesagtesten Stars der Teenies geben im Namen von Sony, Nokia und Co. ihr Bestes. Fazit nach sieben Tage Messe: Die jungen Besucher haben sich beeindruckt gezeigt. Allerdings mehr von der Show als von den Neuheiten.

Auch Koordinator Matthias Hofmann aus der Halle der Computergames und Fluganimationen hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Die Leute sind da, um abzustauben, was möglich ist. Das wirkliche Interesse für die technischen Produkte hält sich in Grenzen.“

Das hat seine Gründe: Das Infotainmentcenter bietet zwar Internet, Fernsehen, Video und Mailbox in einem, lässt sich ohne Antenne und mühsame Kabel in entlegene Berghütten transportieren und verspricht trotzdem besten Empfang. Aber es ist schlicht zu teuer und zu kompliziert zu bedienen. Es gebe jede Menge interessante Trends wie das terrestrische Fernsehen, mit dem man das Fußballspiel auch im Bus oder in der Bahn sehen kann, erklärt Sigfried Dinsel, früherer Mitarbeiter des Instituts für Rundfunktechnik. „Meine Oma könnte diese Geräte jedoch noch nicht bedienen, und die gilt für mich als Maßstab.“

Vermutlich werde man schon in vier bis fünf Jahren 15 bis 20 Programme ohne Kabel in einer Kiste empfangen können. „Aber bis dahin müssen die Preise auch von den 1.500 Mark, die ein terrestrisches Fernsehgerät heute koste, auf höchstens 500 Mark herunterkommen.“

Und weil die silbrig glänzenden Alles-in-einem-Geräte auf der IFA zwar Realität sind, für den Heimgebraucher aber Musik der Zukunft, drehen die Besucher lieber am Glücksrad oder tummeln sich im Sommergarten, um aufkommende Popsternchen über die Bühne hoppsen zu sehen.

Auch die Zeiten der überall präsenten Fernsehanbieter und großen IFA-Shows mit Thomas Gottschalk und Günther Jauch gehören längst der Vergangenheit an. Heute verteilen sich nur noch wenige TV-Sender, darunter die öffentlich-rechtlichen, auf dem Messegelände. Und ihr Angebot ist eher bescheiden. Wer schon immer mal Wetterfee spielen wollte, kriegt in der Halle 21 A bei der ARD die Möglichkeit – mitnehmen darf er ein Hochglanz-Foto mit echt nachgestelltem Wetterhintergrund.

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