: Das muss kacheln in der Nordsee
■ Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) auf Promo-Tour für Offshore Windkraft in Niedersachsen / Ortstermin mit Trittin, Fischern und Windräderbauern
Jürgen Trittin ist sich sicher: „Es kommt nicht mehr darauf an ob, sondern wie Offshore-Anlagen gebaut werden.“ Während seines Besuches an der niedersächsischen Nordseeküste in der vergangenen Woche forderte der Bundesumweltminister den unverzüglichen Aufbau der gigantischen Industrieanlagen auf See. „Die Flächen an Land für Windkraftanlagen werden knapp, der Bau großer Anlagen auf See ist logisch“, sagte Trittin zur taz. Deswegen hat sein Ministerium je zwei Stellen in der Nord- und Ostsee ausgewiesen, an denen Offshore-Anlagen gebaut werden können.
Einen Dämpfer erhielt der Bundesumweltminister allerdings prompt von Alois Wobben, Chef des weltweit größten Herstellers von Windkraftanlagen, Enercon in Aurich, Ostfriesland. Wobben erklärte Trittin, dass die technischen Schwierigkeiten beim Bau von großen, seetauglichen Windmühlen wahrscheinlich nicht vor 2006 gelöst werden können. Gesucht wird eine circa 100 Meter hohe Mühle mit einer Nennleistung von vier oder viereinhalb Megawatt Produktionskapazität, die auf Hochsee Salz, Wind und Wetter standhält und sogar Übernachtungsmöglichkeiten für das Wartungspersonal vorhält. Dieses Jahr soll eine dieser Anlagen als Pilotanlage getestet werden. Die größten zur Zeit serienmäßig arbeitenden Mühlen haben bislang eine Nennleistung von 1.9 Megawatt.
Hintergrund von Wobbens Bedenken: 2006 läuft auch das Gesetz für Erneuerbare Energie aus, das die Investitionen in Windkraft sichert und den Windparkbetreiber hohe Renditen verspricht. Zwar ist für Trittin das Gesetz „unsere wichtigste Aktion, alternative Energien zu fördern, was für den Klimaschutz tun und den Energieverbrauch in Deutschland langfristig zu sichern.. Dennoch wollte sich der Minister auf eine Verlängerung des Erneuerbaren Energiegesetzes über 2006 hinaus nicht festlegen. Für die Offshore-Windparks mit einem Investitionsvolumen im zweistelligen Milliardenbereich eine wichtige Grundlage, die bröckeln könnte.
Die Zeit für die Anlagenbauer wird also knapp. Schon in diesem Jahr erwartet Offshore-Planer PROKON (Leer) die Genehmigung, 45 Kilometer vor Borkum mit dem Bau einer Pilotanlage mit 12 Windrädern beginnen zu können. Ab 2007 will Prokon dann 200 Mühlen mit einer Nennleistung von 1.000 Megawatt errichten. Allein vor Borkum sind von verschiedenen Planern drei Windparks mit jeweils 600 Anlagen in Arbeit.
Neben der Technik und Logistik drohen den Offshore-Parks aber noch ganz andere Tücken. Naturschutz, Schiffssicherheit, Fischereirechte und volkswirtschaftliche Gründe werden regelmäßig von Kritikern gegen Offshore-Windkraft ins Feld geführt. „Diese Anlagen sind keine Vogelzerschnetzelmaschinen“, wiegelt Trittin die Bedenken von Naturschutzverbänden ab: „Ökologische Einwände gegen die Windparks kommen oft von solchen Leuten, die eine Entnahme von Klei für den Deichbau aus dem geschützten Nationalpark fordern, damit die schweren LKWs sie nicht vor ihrem Ferienhaus belästigen.“ Auch ein Problem für die Schiffssicherheit sieht der Minister nicht: „Wir bauen die Parks ja nicht in die Schifffahrtswege“, und zitiert ein Gutachten, das die Unbedenklichkeit bestätigen soll.
Heftig widersprechen musste auch Dirk Sander dem Minister aus Berlin. Sander ist Fischer aus Ostfriesland: „Ich hab dem Minister die Seekarten gezeigt und gesagt, ihr baut doch auch keine Zapfsäulen auf dem Grünstreifen in der Mitte von den Autobahnen.“ So ähnlich würden aber die Offshore- Anlagen zwischen den weltweit befahrensten Schifffahrtswegen der Nordsee wirken, behauptet Sander. Ein weiteres Problem trifft den Fischer in seiner Existenz: „Die Windparks werden als Fanggebiete für die Fischerei gesperrt. Wir verlieren also doppelt durch die Windkraft“, so Sander. Der Minister jedenfalls hörte aufmerksam zu – und schwieg.
Thomas Schumacher
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