: Rechter Aufmarsch gestoppt
Mit Sitzblockaden und Barrikaden protestierten am Samstag Tausende gegen rechte Aufmärsche in Leipzig und Greifswald. Polizei nahm 83 Personen vorübergehend fest
LEIPZIG taz ■ Am Samstagvormittag lächelte die Führungsspitze der deutschen Neonaziszene noch siegesgewiß in die Kameras, die vor dem Leipziger Hauptbahnhof die Ankunft immer neuer Skinheads filmten. Da hatten das Oberverwaltungsgericht Bautzen und das Verwaltungsgericht Leipzig gerade mehrere Verbotsverfügungen der Stadt Leipzig abgewiesen und den 1.200 Neonazis so den Weg zum Völkerschlachtdenkmal frei gemacht.
Nachdem Polizeibeamte die Rechtsextremisten zunächst auf Waffen durchsucht und frühere Waffen-SS-Mitglieder ihre Zuhörer mit Reden über „den Dienst am deutschen Volk“ in Stimmung gebracht hatten, setzte sich der Zug schließlich mit zweistündiger Verspätung in Bewegung. In ihren Aufrufen leugneten die Rechten den Überfall Nazideutschlands auf Polen am 1. September 1939. Doch schon nach 500 Metern war Schluss für die rechten Geschichtsfälscher. Nachdem Teilnehmer und Organisatoren wie der Hamburger Neonazianführer Christian Worch und der Berliner NPD-Anwalt Horst Mahler gleichermaßen die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ skandierten, hatten Polizei und Staatsanwaltschaft schließlich einen Grund, die Show der militanten „Freien Kameradschaften“ unter Verweis auf gerichtliche Auflagen vorzeitig zu beenden.
Vermieden haben sie damit auch größere Auseinandersetzungen mit den einigen tausend Gegendemonstranten auf der Wegstrecke zum Völkerschlachtdenkmal. An mehreren Stellen hatten Autonome Barrikaden errichtet und sich schon vor Beginn der Neonazi-Demonstration Scharmützel mit einem Großaufgebot an Polizisten geliefert. Diese gingen mit Knüppeln und Wasserwerfern gegen die Gegendemonstranten vor. Störungen gab es auch bei einer „Gesicht gegen Nazis zeigen“-Kundgebung von rund 20.000 Leipziger Bürgern auf dem nahe gelegenen Augustusplatz. Während der Rede von Bürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) drehten Linke den Strom ab.
Ein paar hundert Meter weiter reagierten die Neonazis aggressiv auf das vorzeitige Aus für ihren Aufmarsch: Militante Neonazis versuchten, den Polizeikordon gewaltsam zu durchbrechen. Das führte schließlich zu Prügeleien untereinander. Nach einer trotzigen Sitzblockade verlegten sich die Rechten auf verbale Drohungen. So kündigte der verurteilte Rechtsterrorist Peter Naumann an, in zwei Monaten werde man erneut durch die Stadt marschieren. Polizisten drohten die Rechten, sie würden von „deutschen Volksgerichten zur Rechenschaft gezogen“.
Einziges wirkliches Erfolgserlebnis für die Neonazis: Die Polizei brach den Versuch ab, die Personalien aller Rechten festzustellen, und eskortierte sie schließlich nach sieben ungemütlichen Stunden zurück zum Hauptbahnhof. Gestrige Bilanz der Leipziger Polizei: 83 vorübergehende Festnahmen und ein störungsfreier Verlauf der abendlichen Antifa-Demonstration mit rund 500 Teilnehmern.
Auch in Greifswald endete eine NPD-Demonstration am Samstag mit einer Blamage für die Rechten: Mehrere hundert Gegendemonstranten sorgten mit einer Sitzblockade dafür, dass die Polizei die Wegstrecke der knapp 100 NPD-Anhänger erheblich verkürzte.
HEIKE KLEFFNER
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