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Scharping verteidigt sich selbst

Nicht nur seine teure Stippvisite zur Liebsten auf Mallorca bringt Rudolf Scharping in Bedrängnis. Schon früher habe der Minister die Luftwaffe privat genutzt, sagt die Union – und fordert seinen Rücktritt. Scharping bleibt unbeeindruckt

von NICOLE MASCHLER

400.000 Mark für acht Stunden. Eine teure Nacht, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die Union wirft Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vor, die Flugbereitschaft der Luftwaffe missbraucht zu haben – um zwischen der Sondersitzung des Parlaments zum Mazedonien-Einsatz und einem Truppenbesuch in Skopje einen nächtlichen Abstecher zur Liebsten auf Mallorca zu machen. Nach dem öffentlichen, aber noch harmlosen „Plantschi-Plantschi“ (Unionsfraktionschef Friedrich Merz) mit Gefährtin Kristina Gräfin Pilati-Borggreve gerät Scharping nun ernsthaft unter Beschuss. Union und FDP forderten bereits Scharpings Rücktritt. CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann sagte gestern, sämtliche Ministerflüge mit der Flugbereitschaft müssten unter die Lupe genommen werden. Er hat eine auffällige „Häufung“ von Flügen zwischen Berlin und Pilatis Wohnsitz Frankfurt ausgemacht.

Nach der Bundestagssondersitzung war Scharping am Mittwochabend an seinen Urlaubsort zurückgekehrt, mit der Flugbereitschaft. Doch schon am nächsten Morgen startete in Berlin wiederum eine Maschine mit Generalinspekteur Harald Kujat, der den Chef für eine Kurzvisite in Skopje abholte. Was als Imagepflege gedacht war, geriet zum Desaster. Die ebenfalls in Mazedonien weilenden Unionspolitiker Friedrich Merz und Michael Glos fielen dem Besuchsprogramm zum Opfer. Weil der Minister nach dem Truppenbesuch schnell wieder zur Gräfin zurück wollte und dazu die für die Unionspolitiker gebuchte Maschine nutzte, saßen Merz und Glos stundenlang fest.

„Ich habe völlig vorschriftsmäßig Gebrauch von der Flugbereitschaft gemacht“, wehrt sich der Gescholtene. Einen Rücktritt schloss er aus. „Ich habe meinen Urlaub dreimal unterbrochen, um meinen Dienstpflichten zu genügen“, betonte er am Sonntag. Doch einen für gestern geplanten Auftritt bei „Sabine Christiansen“ sagte Scharping ab – offiziell wegen „zeitlicher Schwierigkeiten“.

Beim Kanzler aber musste er antreten. Gerhard Schröder hatte ihn am Samstag zunächst nur lau verteidigt. Via Kameras bestellte er Scharping noch für Sonntag zum Rapport. Schröders Beteuerung, seinem Minister sei nichts vorzuwerfen, wirkte wenig überzeugend.

Bereits im Januar war Scharping ins Kreuzfeuer geraten, als er – mitten in der Debatte um gefährliche Uranmunition – turtelnd mit Gräfin bei Alfred Biolek auftrat. Von „politischer Instinktlosigkeit“ spricht CDU-Wehrexperte Paul Breuer und fordert für morgen eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses.

Auch in der Koalition gerät Scharping in Erklärungsnotstand. SPD-Verteidigungsexpertin Verena Wolleben findet sein Verhalten „peinlich“. Grünen-Chefin Claudia Roth ist „irritiert, um es freundlich zu sagen“. Schon wird über Nachfolger spekuliert: Hans-Ulrich Klose, Chef des Auswärtigen Ausschusses, und Hamburgs Exbürgermeister Henning Voscherau. Spätestens auf dem SPD-Parteitag im November, zitierte der Spiegel einen Genossen, sei Scharping „als Parteivize weg“. Da werde nämlich geheim gewählt.

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