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: Die Basketball-Europameisterschaft, am Fernseher erlebt

Deutsche Wunderkinder und unberührte Wäscheberge

Neulich wollte ich mal putzen, aufräumen und waschen. Dabei lief nachlässigerweise der Fernsehapparat – und die reinlichen Vorsätze waren dahin. Ausgetauscht gegen das dringende Bedürfnis, den deutschen Basketballern bei der Europameisterschaft in der Türkei zuzuschauen. Was am Anfang kein Spaß war – denn die Korbjäger lagen nach den ersten vier Minuten ihres Auftaktmatches bereits mit 1:8 gegen Estland zurück. „Der Ball sagt noch nicht du zu ihnen“, analysierte Ko-Kommentator und Ex-Europameister Stephan Baeck treffend das Gedotze. Ich hingegen fragte: „Du, Dirk Nowitzki, wo bis du?“ Statt sich um Körbe zu kümmern, hing das „german wunderkind“ der Dallas Mavericks noch über einem Eimer, entledigte sich auf diese Weise eines Magen-Darm-Virus und nahm daraufhin Ball und Spiel in sein Händchen.

Mein Wäscheberg allerdings blieb unberührt – vermutlich hatte mich Nowitzkis Basketball-Virus angesteckt. Mit 33 Punkten und zwölf Rebounds entschied der 23-Jährige die Partie fast im Alleingang. Nach der Übertragung kam ich dann nicht mehr drumrum, meine haushälterischen Pflichten zu erfüllen. Und tat es in Nowitzki-Manier: Dribbelte nass den Fußboden auf, passte den Krimskrams von einer Ecke in die andere und dunkte die Wäsche in die Maschine. Auf dass alles weggeschafft war vor dem zweiten Gruppenspiel der Deutschen gegen Kroatien.

Als neuen Lieblingsspieler erkor ich tags darauf Ademola Okulaja, das 24-jährige Energiebündel vom FC Barcelona. Er legte einen Spin-Move nach dem anderen auf das Parkett, sodass es den Kroaten nur so schwindelte und mir die Augen übergingen. „Ihm ist die Spielfreude anzuspüren“, behauptete DSF-Kommentator Frank Buschmann grammatikalisch kühn, was allerdings meiner Spiel-Zuseh-Freude keinen Abbruch tat. Und beim Anblick des Zusammenspiels des Dream-Teams Okulaja-Nowitzki ließ Buschmann, der in aufregenden Momenten so kommentiert wie Grönemeyer singt, den niedlichen Neologismus „Okulajowitzki“ aus sich raussprudeln. Als Okulaja mit einem Alley-Hoop einen Hauch NBA durch die Halle in Antalya wehen ließ, bekam ich eine Gänsehaut. Und zählte die Viertel bis zum Gruppen-Endspiel gegen Jugoslawien.

Wäre da nicht der Respekt des Bundestrainers Henrik Dettmann gewesen: „Es scheint, sie seien die Besten“, hatte er gesagt. Und tatsächlich: Die routinierten Jugoslawen gaben den jungen deutschen Spielern (Durchschnittsalter: 24, 5 Jahre) einen Korb nach dem anderen. Das Team von Svetislav Pesic, ehemals Trainer von Alba Berlin und immer noch Vater von Marko Pesic, der in der deutschen Mannschaft den Aufbau besorgt, führte zur Halbzeit mit 41:26 und ich musste machtlos aus der Ferne mit ansehen, dass NBA-erprobte Athleten wie Stojakovic und Drobnjak gegen die deutsche Greenhorn-Mannschaft nichts anbrennen ließen. Doch das Team meiner neu entfachten Fan-Leidenschaft bäumte sich noch einmal auf und ich jubelte ihm durch die Bildschirmröhre zu. Demirel versenkte zwei Dreier, und Okulaja kämpfte wie ein Obi-Bär um jeden Rebound. Auch Nowitzki, der von seinem Verteidiger Predrag Drobnjak bis dahin zum Nichtstun verdonnert wurde, machte sich bemerkbar, und der Rückstand verkürzte sich.

Jugoslawien machte schließlich dennoch mit 86:73 den Einzug ins Viertelfinale perfekt – genau wie die Türkei, Russland und Frankreich. Um dort hinzukommen, mussten die Deutschen gestern Abend (nach Redaktionsschluss) Griechenland schlagen. Kein leichter Gegner, das weiß auch die Tele-Fanin. Umso wichtiger, live und konzentriert dabei zu sein.

JUTTA HEESS