: Ein gepflegt dreckiges Filmfestival
■ Ab heute kann man wieder Kinoentdeckungen machen und sogar 99-Euro-Filme gucken – beim 8. Oldenburger Filmfest
Die Filme waren „krass“, die Party „fett“, der Kater am nächsten Morgen „heavy“. Vier schöne junge Wilde kriechen halbblind aus einem Hotelbett und können sich dunkel an die tolle Nacht erinnern, aber in welcher Stadt sind sie überhaupt gelandet? „Oldenburg? Wouw!“
Der Trailer des Oldenburger Filmfests versucht pfiffig das diffuse Image dieses Festivals zu fixieren: Dies soll ein Filmfest für das junge, unangepasste Publikum sein, und das war es auch in den letzten Jahren. Keine hehre Filmkunst! Die Filme lieber klein und dreckig als teuer und mehrheitsfähig. Viel „independent“ – meist aus den USA. Keine iranischen Filme mit Untertiteln, sondern lieber Garagenfilme aus Texas von jungen, hungrigen Filmemachern, die sich dann auch gerne auf der Straße zu ihrem Werk ansprechen lassen und die Gelegenheit zum Feiern nutzen. So soll es zugehen in Oldenburg – in den nächsten fünf Tagen und Nächten.
Nur die Eröffnung ist auch diesmal wieder ein Stilbruch: ein gesellschaftliches Event, zu dem die geladenen Gäste sich in ihre feine Abendgarderobe werfen, Eröffnungsreden gehalten werden und – mit möglichst vielen Stargästen – ein („ordentlicher“) deutscher Film gezeigt wird. Da fiel der Neue von Oskar Roehler schon mal raus, obwohl man immerhin die Mitwirkenden Katja Flint und Wolfgang Joop in die Stadt hätte locken können. Aber welcher lokale OL-Prominente möchte schon bei einem Film mit dem Titel „Suck my Dick“ gesehen werden?
Diese filmische Provokation gibt es also erst später zu bewundern (Frau Flint soll aber trotzdem kommen) und als Eröffnungsfilm wird heute Abend um 19.30 Uhr im Wall Kino „Mondscheintarif“ von Ralph Huettner gezeigt: Eine junge, deutsche Dreiecksgeschichte mit Jasmin Tabatabai, die dann auch den glamourösen „Stargast“ gibt.
Für das „normale“ Publikum (die Schnittmenge tendiert wohl gegen null) gibt es dann ab Donnerstag fünfzig Filme in fünf Kinosälen, dem Casablanca (I & II) , dem Wall Kino, der Kulturetage und einem neu eingerichteten Saal in der Oldenburger Landesbank, die ein Hauptsponsor des Filmfests ist. Dort wird leider kein Film über einen Bankeinbruch gezeigt, ansonsten ist das Programm aber vielversprechend: Ein Science-Fiction-Grusel-Schocker von John Carpenter („Ghosts of Mars“), eine mit viel Vorschusslorbeeren bedachte schwarze Komödie über verzogene Privatschüler in England („The Hole“), eine amerikanische Politsatire mit Jeff Bridges als US-Präsident („The Contender“) oder eine Drogenvision von Darran Aronofsky („Requiem for a Dream“), der sich mit dem verstörenden „Pi“ einen Namen als möglicher Erbe von David Lynch gemacht hat.
Dies sind vielversprechende Angebote in der „Internationalen Reihe“. Wundertüten sind dagegen die Filme in der „Independent Reihe“ – von ihnen weiß man meist vorher kaum etwas. Es gibt hier große Entdeckungen zu machen, aber in den letzten Jahren waren auch schlimme Nieten dabei, bei denen man sich fragen musste, ob die Festivalorganisatoren die Filme überhaupt vorher gesehen hatten. Eine Retrospektive mit den Werken von Jim McBride („Breathless“, „The Big Easy“), ein Tribute to Ben Gazzara (mit gerade mal dreien von seinen Filmen) und ein weiterer an den britischen Horrorfilmemacher Richard Stanley sind eher für die Spezialisten interessant.
Witzig ist die Initiative „99-Euro-Films“, für die 13 Filmemacher jeweils mit genau 99 Euro einen Kurzfilm gedreht haben. Darunter hochkarätige Regisseure wie Michael Klier, Oscar Roehler, Matthias Glasner und Martin Walz, aber auch der Schauspieler (und Stammgast des Festivals) Peter Lohmeyer.
Wer von den eingeladenen Gästen kommt und welche Filme nun auch wirklich gezeigt werden, ist ungewiss, denn das Oldenburger Filmfest ist berüchtigt für seine Änderungen in letzter Minute. Aber verlassen kann man sich darauf, dass dort wieder dieses ganz besondere Flair herrschen wird. Wie schon gesagt: „Oldenburg? Wouw!“ Wilfried Hippen
Das vollständige Programm liegt in Bremer Kinos aus und ist unter „ www.filmfest-oldenburg.de “ zu finden
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