VW-Thronfolger wird ein Mann für alle

Der vor zwei Jahren als BMW-Chef geschasste Bernd Pischetsrieder folgt Ferdinand Piëch auf den Vorstandsvorsitz

Die Bestätigung kam spät, aber ganz offiziell. „Wir sind gemeinsam der Überzeugung, die richtige Wahl für die Nachfolge von Ferdinand Piëch zu treffen“, verbreiteten der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) und VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Klaus Volkert gestern Nachmittag. „Bernd Pischetsrieder ist für uns in hervorragender Weise geeignet.“ Damit hatten Mehrheitseigner und Arbeitnehmervertreter, die im Aufsichtsrat nicht zu überstimmen sind, sich zu einer Entscheidung bekannt, über die den ganzen Tag spekuliert worden war: Der 53-jährige Maschinenbauer Pischetsrieder, der im Februar 1999 unrühmlich den Chefsessel bei BMW räumen musste, wird am Freitag zum VW-Vorstandschef gewählt.

Pischetsrieders spektakulärem Abgang bei BMW war eine handfeste Krise des bayerischen Automobilbauers vorangegangen, die der Chef letztlich selbst zu verantworten hatte. Denn mit dem Kauf der britischen Automobilfirma Rover 1994 hatte er BMW keinen Gefallen getan: Die Briten brachten den Münchnern nur Verluste ein. Es wird gemunkelt, dass Pischetsrieder sich auch aus persönlichen Gründen für Rover erwärmt habe: Ein Verwandter von ihm ist der Erfinder des legendären Mini-Cooper. Inzwischen hat BMW die unrentable Tochter bis auf eine neue Version des Mini abgestoßen.

Die Entscheidung für Pischetsrieder ist für die Branche keine Überraschung. Piëch hatte Pischetsrieder nach seinem Ausscheiden bei BMW als Vorstand für Qualitätssicherung und Leiter der Tochtergesellschaft Seat zu Volkswagen geholt. Angeblich auch, weil ihn Pischetsrieders Verhandlungsgeschick beim Einkauf der britischen Nobelmarke Rolls Royce beeindruckt hatte. Im Frühjahr 1998 waren BMW (damals noch unter Pischetsrieder) gute Chancen eingeräumt worden, Rolls Royce zu übernehmen. VW (unter Piëch) machte zwar mit einem beträchtlich höheren Angebot das Rennen, später schlossen die beiden Konzerne jedoch einen für BMW sehr günstigen Vertrag ab: BMW bekam die Rechte am Markennamen Rolls Royce, VW übernahm die Produktionsstätten. Ein Coup: Die Münchner sicherten sich den Luxusnamen für gerade mal knapp 120 Millionen Mark. Piëch war blamiert.

Glaubt man ehemaligen Mitarbeitern Pischetsrieders bei BMW, erhalten die Volkswagenangestellten einen sehr umgänglichen neuen Chef. Pischetsrieder habe – ganz im Gegensatz zu seinem autoritären Vorgänger Eberhard von Kuenheim – immer mit sich reden lassen, auch die Namen von Kollegen gekannt, die nicht mit am Vorstandstisch saßen, und ein für einen Konzernchef außerordentlich gutes Verhältnis zum Betriebsrat gepflegt.

Das Image des leutseligen und kapitalismuskritischen Konzernlenkers („Ich bin niemals mit der einseitigen Festlegung angetreten, dass es als Vorstandsvorsitzender meine einzige Aufgabe ist, den Aktienkurs zu stützen“) litt allerdings gehörig, als Pischetsrieder im Mai 1995 einen BMW-eigenen McLaren-F1-Sportwagen im Wert von 1,5 Millionen Mark bei einer Spritztour zu Schrott fuhr. Es wurde ihm verziehen. STEFAN KUZMANY