tamtürktür . . . der ganze türke:
von JENS HALBERBOCK
Kennen Sie den Jutatü? Der Jutatü ist ein junger Tamtürk, der eine Ölprinz-Frisur trägt, muskulös ist und mit gespreizten Beinen umherschreitet – laut Spermapegelanzeiger in seinen Augen: triefenden Gliedes. Sicher ist nie, wer wer ist: der Jutatü sein eigener Kampfhund oder umgekehrt. Beide zusammen erwecken jedenfalls den Eindruck, als könnte sie nichts aufhalten: kein Zug, kein Lkw, keine rote Ampel. Dabei kommt es höchst selten zum Kräftemessen „Türkdödel vs. 30-Tonner“. Leider. Doch der Jutatü kann keine Gelegenheit auslassen, stehen zu bleiben, verpasste er doch sonst eine Gelegenheit, sich sein Gemächte gerade zu rücken, um es hernach ausgiebig zu kratzen.
Wenn der Jutatü älter und unscheinbarer wird, ihm Haare und Muskeln schwinden wie seinem Kampfhund die Zähne; selbst wenn sein Spermapegelanzeiger stringent gegen null weist – eines wird ihn, der nunmehr kein junger, aber nach wie vor ein ganzer Türke ist, nicht verlassen: sein Drang zum Dengelkratzen.
Nun möge niemand naggeln, dass die Orientalen die Badehäuser erfanden, weshalb sie per se sauberer geputzt seien als die Okzidentalen. Denn es müsste so sein, ist aber nicht so! Und wer einmal einen türkischen Hamam besucht hat, weiß, warum sich viele Türken egal welchen Alters kratzen und Türkinnen nicht.
In einem türkischen Frauenbadehaus geht es äußerst fröhlich zu: nackt springen die Damen Gazellen gleich umher, shampoonieren einander, spritzen vergnügt mit kaltem Wasser um sich und quietschen wonnig um die Wette. Andere räkeln sich wohlig auf der heißen, steinernen Plattform, die sich im Zentrum des Hamams befindet und von der alle Hitze dieses Kleinparadieses ausgeht. Ausgiebig lassen sie sich von einer Mitbadenden durchwalken und -pöngeln. So oder so, die Frauen mögen die Körper ihrer Gegenüber; neckisch begut-, selten nur beschlechtachten sie sie. Ja, bei den Frauen ist alles, wie die Türkinnen zu sagen pflegen, „tamam im Hamam“.
Trauriger gestaltet sich dagegen der Besuch eines Männerbadehauses: je größer die Muskelberge, je öliger das Haar, je wilder der öffentliche Griff zwischen die eigenen Beine – im Hamam wird der Tamtürk zum Klemmtürk: Ein langes Tuch um die Lenden gewickelt, betritt er schüchtern den Raum und verharrt abseits der Hitzeplattform. Bestenfalls wechselt er zwei, drei Worte mit einem anderen Mann, schwitzt aber meist freudlos schweigend vor sich hin. Irgendwann schleicht er zu den Waschbecken, die an den Wänden des Badehauses in den Boden eingelassen sind, kniet nieder und nestelt verstohlen unter seinem Handtuch herum – selbstredend mit dem Rücken zu seinen Brüdern im Schweiße, auf dass niemand einen Blick werfen könne auf . . . – sie verstehen schon. Sollte ihm das Badetuch dennoch verrutschen, macht das gar nichts. Der schamige Türk trägt unter dem Tuch auch noch eine Unterhose. Wen wundert es da, dass es da mit der Wäsche nicht immer klappt und er einfach heftig jucken muss – sein kleiner Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen