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Endspurt für Gelb und Grün

Am Sonntag werden die Gemeindeparlamente in Niedersachsen gewählt. Alle Parteien schicken ihre Prominenz in den Norden. Der Grüne Rezzo Schlauch attackierte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle und ließ sich in Knete aufwiegen

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Nicht der heiße Streit um politische Themen, sondern eher Trägheit und sommerliche Hitze prägten bislang den Wahlkampf in Niedersachsen. Am kommenden Sonntag wählen 6,34 Millionen Norddeutsche ihre 2.239 kommunalen Vertretungen. In der letzten Woche vor der Kommunalwahl soll nun bundespolitische Prominenz noch einmal Schwung bringen. Die Grünen boten in Hannover ihren Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch und in Oldenburg ihre Parteichefin Claudia Roth auf. Heute sind nach dem Motto: „drei Parteien – drei Abschlusskundgebungen“ Angela Merkel (CDU) in Diepholz, Edmund Stoiber (CSU) in Bramsche bei Osnabrück und Guido Westerwelle (FDP) in Hannover zu Gast. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) legt sich morgen Abend noch einmal für seine heimischen Genossen ins Zeug.

Ganz in Schwarz gekleidet, die staatliche Leibesfülle als Resonanzraum nutzend und mit ausladenden Hand- und Armbewegungen versuchte Rezzo Schlauch am Dienstagabend seine gut hundert Zuhörer von den Leistungen der Bundesgrünen zu überzeugen. Er lobte die Wirkungen der Energiewende: „70.000 Arbeitplätze geschaffen.“ Und die Lenkungswirkung der Ökosteuer: „Im letzten Jahr 12 Prozent weniger Sprit verbraucht.“ Die Grünen hätten auch die gesellschaftspolitischen Veränderungen, etwa bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts oder durch die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle, in Gang gesetzt.

Zuvor hatte sich der gleichermaßen temperamentvolle wie füllige Fraktionsvorsitzende am Dienstag am Nachmittag in der hannoverschen Innenstadt brav mit „Knete für die Kleinen“ aufwiegen lassen. Er brachte immerhin gute hundert Kilo auf die Waage und verhalf so den hannoverschen Kindertagesstätten zu einer Spende von hundert Kilo Knetmasse aus ökologisch einwandfreiem Wachs.

Für mehr Knete im übertragenen Sinne, mehr Geld die Kinderbetreuung, will die grüne Bürgermeisterkandidatin Silke Stokar dann nach einem erfolgreichen Abschneiden bei der Kommunalwahl in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD sorgen. Für Hannover hoffte Stokar, dass die Grünen am Sonntag wieder ein gutes zweistelliges Ergebnis erzielen und dass der Sozialdemokrat Herbert Schmalstieg einen zweiten Wahlgang braucht, um als Oberbürgermeister wieder gewählt zu werden.

Zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang sollen dann die Verhandlungen über eine Erneuerung der rot-grünen Koalition im hannoverschen Stadtrat stattfinden. Diese Koalition hatte die SPD vor drei Monaten aufgekündigt. Prompt habe die Stadt danach ihre Beteiligung an dem bundesweiten Modellversuch zur Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige erst einmal gestoppt, kritisiert Stokar, die auch dem niedersächsischen Landtag angehört.

Bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 1996 hatten die Grünen in der Landeshauptstadt Hannover 14,3 Prozent der Wählerstimmen holen können und auch landesweit mit 9 Prozent ein für ihre Verhältnisse sehr gutes Ergebnis erzielt. Die FDP konnte 1996 mit 4,6 Prozent nur halb so viele der Stimmen auf sich vereinen. Wenn die Stimmen am Sonntagabend ausgezählt sind, könnte das Verhältnis zwischen Grünen und FDP diesmal andersherum ausfallen. Die einzige Umfrage zur politischen Stimmung vor der niedersächsischen Kommunalwahl, die der Norddeutsche Rundfunk (NDR) bei Infratest dimap im Anuftrag gegeben hat, sah die Grünen landesweit bei 6 und die Freidemokraten bei 9 Prozent. Deshalb nahm auch Rezzo Schlauch bei seinem Wahlkampauftritt vor allem die blau-gelbe Konkurrenz aufs Korn und höhnte, Guido Westerwelle krieche „auf seiner eigenen Schleimspur ins Kanzleramt“. Immerhin haben beide kleinen Parteien im Wahlkampf kräftig Mitglieder dazugewonnen, die Grünen zählten 380, die FDP 400 Neueintritte. Nach Angaben der FDP waren die meisten neuen Mitglieder jünger als 30 Jahre.

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