: Türkei blockiert Zypern-Gespräche
Die zyperntürkische Seite lehnt die geplanten Gespräche über die Zukunft der Insel ab und weiß dabei die Regierung in Ankara hinter sich. Gleichberechtigung mit griechischer Republik Zypern verlangt. Späterer Verhandlungsbeginn nicht ausgeschlossen
von JÜRGEN GOTTSCHLICH (Istanbul) und KLAUS HILLENBRAND
Die für Mittwoch dieser Woche annoncierten Zypern-Gespräche in New York sind geplatzt. Am Freitagabend hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan auch die offizielle Absage des Führers der türkischen Zyprioten, Rauf Denktasch, auf dem Tisch, nachdem dieser bereits zuvor erklärt hatte, er sehe keine Basis für neuerliche Verhandlungen. Glavkos Klerides, Präsident der Republik Zypern, wiederholte indessen, er sei zur Reise nach New York bereit. Die UN sowie die Regierungen in Athen und London zeigten sich von Denktaschs Absage enttäuscht.
Die Entscheidung von Denktasch wird von der türkischen Regierung gedeckt. Nach intensiven Beratungen zwischen Ministerpräsident Bülent Ecevit, Außenminister Ismael Cem und dem für Zypern zuständigen Staatssekretär Faruk Logoglu, hieß es in Ankara: Solange die UN nicht akzeptiere, dass sich bei Verhandlungen zwei gleichberechtigte Partner als Vertreter ihrer jeweiligen Volksgruppe gegenübersitzen, habe eine Fortsetzung der Gespräche keinen Sinn. Dahinter steht das Begehren nach einer internationalen Anerkennung Nordzyperns.
Denktaschs Absage erfolgte, nachdem der Zypern-Beauftragte des UN-Generalsekretärs, Alvaro de Soto, nach Vorgesprächen mit beiden Seiten zu Verhandlungen für den 12. September nach New York eingeladen hatte. „Ein Offizieller mit einem Vermittlungsauftrag hat nicht das Recht, öffentlich ein Datum für ein Treffen bekannt zu geben, wenn er weiß, dass eine Seite dazu bereit, die andere aber nicht in der Lage ist“, kritisierte Denktasch am Samstag den UN-Vermittler.
Denktasch hatte bereits am Mittwochabend erklärt, es gäbe keine Angebote der griechischen Seite, die als Basis für die Fortsetzung der Gespräche Aussicht auf Erfolg böten. Die von den UN moderierten Gespräche, bei denen die griechische und türkische Seite nicht direkt miteinander reden, sondern nur über einen UN-Vermittler kommunizieren, waren von Denktasch im November letzten Jahres abgebrochen worden. Im Kern geht es bei den Gesprächen um den zukünftigen Status von Nordzypern, dessen selbst erklärte Unabhängigkeit weltweit von keinem Staat außer der Türkei anerkannt wird. Obwohl Denktasch vor einigen Wochen vom türkischen Ministerpräsidenten Ecevit gedrängt worden war, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, wird er in seiner Weigerung, beim derzeitigen Stand der Vorverhandlungen nach New York zu gehen, von Ankara unterstützt. Es müsse zumindestens eine kleine Aussicht auf Erfolg bestehen und die sei im Moment nicht gegeben. Zu der Haltung Ankaras hat auch beigetragen, dass Denktasch nach eigenen Angaben angeboten hatte, in geheimen direkten Gesprächen mit dem zypriotischen Präsidenten Glavcos Klerides die Chancen auf eine Einigung auszuloten. Dies sei aber sowohl von der Republik Zypern wie von der UN abgelehnt worden. Informationen aus Ankara zufolge ist die Weigerung von Denktasch jetzt zu Gesprächen nach New York zu kommen jedoch keine grundsätzliche Ablehnung des von de Soto begonnenen Prozesses, sondern lediglich ein Reaktion auf einen verfrühten Zeitpunkt.
Dabei ist allen Seiten klar, dass die Zeit drängt. In Brüssel läuft der Countdown für die Aufnahme neuer Mitglieder in die EU, und Zypern ist eines der vorrangigen Beitrittsländer. Wenn es nicht bald zu substanziellen Verhandlungen zwischen griechischen und türkischen Zyprioten kommt, droht für die EU der Zeitpunkt zu kommen, an dem sie sich entscheiden muss, die Republik Zypern allein in die EU aufzunehmen. In der letzten Woche hatte in Ankara ein Bericht für das EU-Parlament für Aufregung gesorgt, in dem der zuständige Berichterstatter Poos Ankara unterstellte, die Türkei wolle in diesem Fall Nordzypern annektieren. Tatsächlich hat es mehrfach entsprechende Andeutungen von Denktasch gegeben. Wenn die Türkei das täte, „können sie die EU-Mitgliedschaft vergessen“, sagte dazu Zypern Präsident Klerides dazu.
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