jenni zylka über Sex & Lügen : Die Wahrheit über Kraft-Fahrzeuge
Macht Mitfahrgelegenheit Liebe? Ein aufklärerischer Streifzug durch die Kernbereiche der Auto-Erotik
Nicht nur die Angestellten der FAZ bekommen Dienstwagen, angeblich niegelnagelneue Volvos, zur Verfügung gestellt. Auch die taz lässt sich nicht lumpen. Wir alle fahren verschiedenfarbige Opel GTs, 60 PS (Redaktion) oder 90 PS (Verlag), Baujahr 1969 bis 1973, die auf einem extra Opel-GT-Parkplatz hinter dem Rudi-Dutschke-Haus parken dürfen. Mein Exemplar ist schwarz und hat zwei weiße Carrerabahn-Streifen mitten auf dem Buckel. Und seit ich diesen GT fahre, ist, Achtung, Damen, aufgepasst, meiner 17 Meter lang.
Das ist nämlich die Wirkung solcher Autos: Sie sollen aus kleinen, schrabbeligen, libidinös enttäuschenden LangweilerInnen Suuuupertypen machen, mit rechts ’ner Biene und links ’ner Biene, sogar, wenn da gerade gar keine Biene in der Nähe ist. Der berühmte Kompensationseffekt. Je nötiger man’s hat, desto mehr PS. (Wobei ich nochmal auf das GT-Beispiel zurückkommen möchte. Ich habe da etwas übertrieben. Meines Wissens fährt nur einE TazlerIn GT. Der Rest hat’s nicht nötig. Was das für die FAZ-Volvo-Fraktion bedeutet? Hmmm . . .)
Landläufig scheint das jedoch so zu sein: Wenn aus einem Riesenangeberauto mickrige Menschen steigen, nickt man verstehend und sagt: „Typisch! Schwanzverlängerung!“ Noch nie hat ein Autoverkäufer einen Mann sagen hören: „Ach wissen Sie, ich brauch kein so großes Auto, ich bin ja nur so hoch wie Eminem!“ Und immer wieder sieht man, auf der anderen Seite, wie sich baumlange Silberrücken selbstbewusst in Minis quetschen.
Obwohl doch jeder und jede weiß, dass es nicht stimmt, dieses Phänomen. Vorne und hinten nicht. Weder haben oder brauchen kleine Männer mit dicken Autos mehr Erfolg, noch reicht bei baumlangen Alphamännchen der Moschusduft. Wenn der Rest nicht nach Gusto ist, werden sich weder Dame noch Herr allein durch solcherlei PS-Geprotze überreden lassen. Außerdem fragt man sich, wie das überhaupt bei Frauen funktioniert: Kaufen sich vor allem flachbrüstige, schmalhintrige Frauen Angeberautos? Fahren propere Blondinen uralte Hollandräder? Pustekuchen. Frauen hatten und haben diese Art der angeblichen sexuellen Leistungssteigerung durch Statussymbole noch nie nutzen müssen. Was im Übrigen damit zusammenhängt, dass es Prahlhans heißt und nicht Prahlliese. Was wiederum beim konsequenten Zu-Ende-Denken die Frage aufwirft, ob man der wahren Gleichberechtigung zuliebe auch Frauen Möglichkeiten für durchsichtige sexuelle Prahlereien eröffnen müsste: Je höher die Absätze, desto lauter wird gestöhnt, je vielfarbiger die Kette, desto multipler der Orgasmus usw.
Es lohnt sich, zu untersuchen, wieso es in erster Linie „Kraft-Fahrzeuge“ sind, die in die Kategorie „Macht-mich-zum-Loverlover“ fallen. Vielleicht ist dieser Quatsch ein rudimentäres Überbleibsel aus der präindustriellen Zeit: Wer das schickste, größte und nervöseste Araberpferd hatte, der konnte die Bürgertöchter darauf am schnellsten vor den Altar transportieren. Andersherum wollte vermutlich keine auf den gemütlich-dicken, langsamen Shetland-Warmblüter.
Dazu könnte die Funktion des Autos als Ort für Sex kommen: Schließlich war Heaven schon mal auf dem Rücksitz meines Cadillacs, Baby. Allerdings spricht dagegen, dass das Durchschnittsautokäufer-Alter normalerweise das ist, in dem man bereits eine Wohnung mit Bett sein Eigen nennt. Wieso sollte man es darum im Auto tun? Und gerade in den Mega-my-other-car-is-a-penis-Spritzen wie zum Beispiel einer engen „little red Corvette“ geht vielleicht gerade noch Petting. Oder Necking. Aber auch nur zwischen Halbwüchsigen. Eigentlich müssten also olle VW-Bullis (samt Hundehaaren und Hundedecken) die beliebtesten Liebeslauben sein. Sind sie aber nicht, genauso wenig wie diese modernen Großer-Innenraum-Seitenairbag-Einkaufswagen.
Mir kommt der Verdacht, dass wir seit Jahrzehnten einem Riesenschwindel aufsitzen, ausgedacht von der Autoindustrie zusammen mit dem Musikbusiness und dem Verkehrsministerium (das mit unseren! Steuergeldern! die Autobahnen ausbaut). Einem Masterplan, einer Verschwörung so groß und geheim wie die angebliche Mondlandung der Amerikaner, und ich habe sie gerade durchschaut: Autos taugen gar nicht als Sex-Statussymbole! Autos machen weder potent, noch macht (Mitfahr-)Gelegenheit Liebe! Die einzigen Verbindungen zwischen Autos und Sex sind der Straßenstrich und die Möglichkeit des schnellen LiebhaberInnen-Transports. Der Rest ist ein spekulativ angelegtes Missverständnis mit dem Wort . . . Verkehrsmittel.
Fragen zu Sex & Lügen?kolumne@taz.de
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