: Weitere Vorwürfe
Union wirft Verteidigungsminister Geheimnisverrat vor. Scharping soll Verlegungsplan deutscher Soldaten ausgeplaudert haben
BERLIN taz ■ Zum zweiten Mal binnen 24 Stunden war der Verteidigungsausschuss des Bundestages gestern in Berlin zusammengetreten, um sich mit den möglichen Privatflügen von Minister Rudolf Scharping (SPD) sowie einem angeblichen Fall von Geheimnisverrat auseinander zu setzen. Die Bilanz der Sitzung fiel erwartungsgemäß geteilt aus. „Ich fühle mich in einem gewissen Sinne befreit“, erklärte Verteidigungsminister Scharping anschließend.
Die Opposition prophezeite dagegen weiterhin, der Minister werde zurücktreten müssen. Das Thema der Flüge ist dabei aber auch nach Einschätzung der Union weitgehend vom Tisch. „Das hat eine weitaus geringere Dimension“, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Paul Breuer, gestern in Berlin.
Stattdessen erhob Breuer gestern einen neuen Vorwurf: Scharping habe in der vertraulichen Ausschusssitzung am Vormittag Äußerungen getan, die außenpolitischen Schaden angerichtet hätten. Mit Hinweis auf die Geheimhaltungspflicht erklärte Breuer, er könne den Inhalt von Scharpings Äußerungen nicht benennen.
In der Folge sahen sich die Berichterstatter mit der absurden Situation konfrontiert, über eine Anschuldigung berichten zu müssen, ohne deren Inhalt zu kennen. Auch auf einer kurzfristig von Breuer einberufenen Pressekonferenz wollte der Abgeordnete keine näheren Angaben machen.
Nach Recherchen der taz soll Scharping im Ausschuss Großbritannien die Schuld für eine Verzögerung bei der Verlegung deutscher Soldaten vom Kosovo nach Mazedonien gegeben haben. Die Union sieht in der Beschuldigung einen Bruch mit der Etikette der Nato, wonach ein Verteidigungsminister nicht seine Partner angreifen dürfe.
Im Übrigen, so tuschelten Unionsabgeordnete gestern hinter vorgehaltener Hand, zeuge die Episode von Scharpings häufig beklagter Neigung zu Seltsamkeiten. Es sei eine Verschwörungstheorie, den britischen Streitkräften zu unterstellen, sie hätten verhindern wollen, dass sie sich den Ruhm für die zweite Stufe der Entwaffnung in Mazedonien mit den Deutschen teilen müssen. Scharping selbst lehnte eine Stellungnahme ab – ebenfalls unter Berufung auf die Pflicht zur Geheimhaltung.
PATRIK SCHWARZ
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