Ein Film so wie das Leben – von manchen

■ Angela Schanelecs Mein langsames Leben startet in dieser Woche im 3001

Zwei Freundinnen sitzen in einem Café und unterhalten sich. Doch schnell wird deutlich: Dies ist keine Unterhaltung, wie sie gewöhnlich in Filmen zu sehen ist. Das Gespräch in der Eröffnungssequenz von Mein langsames Leben ist sprunghaft und unkonzentriert. In ihm wird nichts erklärt, was jenseits des Wissenshorizontes liegen könnte, den die beiden offenbar sehr vertrauten jungen Frauen voneinander haben. Und die beiden benehmen sich auch nicht wie Schauspielerinnen, die zwei Freundinnen und deren Unterhaltung im Café spielen. Und doch: Da ist eine Kamera, die sich bemerkbar macht, indem sie ganz starr im gebührenden Abstand einer Halbtotalen verweilt, so als schaue sie versonnen von einem Stuhl am Nebentisch herüber.

So etwas ist selten, besonders im deutschen Kino. Und es ist eigentümlich, dass ein solcher Film – und sei er auch der Abschluss eines DFFB-Studiums – auf der diesjährigen Berlinale nicht im Wettbewerb, sondern im Forum für junge Autoren vorgeführt wurde. Die Regisseurin, Angela Schanelec, hat schon 1998 kein großes Vertrauen in die Gremien der hiesigen Filmwirtschaft gehabt. Und sie hatte Recht damit. Ihren Vorgängerfilm, Plätze in Städten, zeigte sie damals auf eigene Faust dem Auswahlkomitee für Cannes. Und er lief dort schließlich als einziger deutscher Film des gesamten Festivals in der Abteilung „Un certain regard“.

Eine größere Würdigung für Mein langsames Leben hätte Schanelec nicht allein dafür verdient, dass die Dialoge (sie schrieb auch das Drehbuch) so wenig hölzern sind wie die Darsteller und Darstellerinnen in ihrem Film. Schanelec weiß auch auf der Ebene der Narration geschickt die Konventionen des klassischen Kinos zu irritieren. So enttäuscht Mein langsames Leben zum Beispiel gründlich die Erwartung einer Liebesgeschichte, die sich gewohnheitsgemäß einstellt, wenn schon in den ersten fünf Minuten der Satz fällt: „Und du, verliebst du dich mal bald?“ Zwar wird die Angesprochene (Ursina Lardi), die übrigens Jean Seberg in Außer Atem fast aufs Haar gleicht, bald eine Beziehung eingehen. Doch dies ist, wie alles andere über das Leben der Hand voll Thirty-somethings, nur nebenbei zu erfahren, es reiht sich ein in das langsame Dahinplätschern ihres Lebens, das keine besonderen Höhen und Tiefen zu haben scheint.

Spannung – und Tiefe – erzeugt Mein langsames Leben durch das, was er auslässt. Gefühle werden von diesen Leuten, die am Ende eines Studiums oder am Anfang einer festen Anstellung stehen, die sich gerade die Frage stellen, wie sie leben wollen, mit oder ohne Kinder, in Berlin oder anderswo, niemals geäußert. Doch hinter ihrer beklemmenden Verhaltenheit meint man es brodeln zu sehen. „An nichts als an die Normalität“ wollte sich Schanelec mit ihrem Film halten. Abgesehen davon, dass es lediglich die Normalität einer bestimmten Generation in einer besonderen sozialen Situation ist, gelingt ihr diese seltene Beiläufigkeit, die nicht „die Wirklichkeit“, aber doch ein sehr überzeugendes Bild von ihr abgibt. Und in das wunderschöne Licht eines Berliner Sommers getaucht, fallen an dieser Wirklichkeit vor allem ihre Mängel ins Auge.

Christiane Müller-Lobeck

täglich, 20.30 Uhr, 3001