: Schily und Scharping demonstrieren Abwehrbereitschaft
Der Innenminister sieht keine Bedrohung in der Bundesrepublik. Das könnte sich ändern, wenn die Vereinigten Staaten zu einem möglichen Gegenschlag ausholen
BERLIN taz ■ Eine Wort stand gestern auf der Bundespressekonferenz im Raum: Was passiert, wenn die USA zum Gegenschlag ausholen? Es gebe gegenwärtig keine Bedrohung der Bundesrepublik, betonte Bundesinnenminister Otto Schily. Doch hänge die Sicherheitslage, so der SPD-Politiker einschränkend, auch vom Zeitpunkt eines möglichen Gegenschlags ab. Über Szenarien wolle er aber nicht spekulieren.
Klar ist nur: Die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland sind seit zwei Tagen verstärkt worden. Der Schutz für Flughäfen, bestimmte Fluglinien, auch Bahntransporte wurde erhöht. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern befasst sich mit möglichen Szenarien von Terroranschlägen. Schily regte in Telefonaten mit seinen Amtskollegen an, die Sicherheitsmaßnahmen auf einer EU-Konferenz abzustimmen. Doch wann sie stattfinden soll, ist offen.
Die Bundeswehr erhöhte ebenfalls ihre Sicherheitsstandards. Soweit nötig, stehen ihre Einheiten auch für den Schutz von US-Einrichtungen bereit, so Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD). Auch wurden den Vereinigten Staaten medizinische Hilfe angeboten. Entsprechende Flugzeuge der Bundeswehr würden umgerüstet. Die Flugüberwachung wurde angewiesen, zunächst auf Übungen zu verzichten, um das Personal auf die Kernaufgabe konzentrieren zu können. Insgesamt handele sich um „angemessene“ und mit den europäischen Partnern abgestimmte Maßnahmen, so Scharping.
Die beiden Minister waren sich gestern einig: Der Terroranschlag habe deutlich gemacht, dass polizeiliche und militärische Aufgaben nicht mehr wie in der Vergangenheit scharf voneinander abgrenzbar seien, so Schily. Eine „Umstellung des Sicherheitskonzepts“ sei „das Gebot der Stunde“.
Man stehe „vor einer neuen Qualität des Terrors“, so die Einschätzung von Walter Steinmeier, der als Chef des Kanzleramts für die Koordination der deutschen Geheimdienste zuständig ist. Die Taten zeigten, dass die Dienste in der ganzen Welt vor neuen Herausforderungen stünden. Die Spitze des Bundesnachrichtendienstes (BND) habe sich bereits mit den Kollegen aus Großbritannien, Frankreich und Israel ausgetauscht. Man sei sich einig, dass die militärische Vorgehensweise, die Auswahl der Ziele und die vermuteten finanziellen Ressourcen auf den „Umkreis von Bin Laden“ hindeuteten. Doch sei sich keiner der Dienste in dieser Einschätzung „sicher“, so der Chef des Kanzleramts.
Der BND habe auf jeden Fall keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag in den USA gehabt. Dass die deutschen Dienste in der Vergangenheit die islamitisch-arabische Szene durchaus im Visier hatten, machte Steinmeier an zwei Beispielen deutlich: So wurden am zweiten Weihnachtsfeiertag des vergangenen Jahres in Frankfurt am Main vier mutmaßlich islamistische Täter festgenommen, die offenbar eine Sprenstoffanschlag in Straßburg planten. In Bayern, so Steinmeier, sei zudem in der Vergangenheit der Finanzchef von Bin Laden festgenommen worden.
SEVERIN WEILAND
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