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Erbarmen: Die Ärzte kommen

■ Heute stellen sie ihre frisch gedruckte Fibel im CineStar Kristallpalast vor. Vom Umfang her ist sie eher eine Bibel: Eine Biografie mit erschlagend vielen Details. Ungeklärt bleibt allenfalls die Farbe ihrer Unterhosen

So hat eben jeder seine Methode zur Stressbewältigung: Dr. Dressler aus der Lindenstraße dreht die Anlage auf und hört Klassik, Joschka Fischer läuft und Farin Urlaub fährt in Urlaub. Für diejenigen, die letzteren nicht kennen: Farin Urlaub ist Gitarrist und Sänger der Punk-Pop-Band „Die Ärzte“.

Woher wir die Sache mit der Stressbewältigung wissen? Nicht aus internen Presseinformationen, nein, einfach nachgelesen. Ganz richtig, die Ärzte, die sich in einem Anflug von Größenwahn auch die „beste Band der Welt“ nennen, haben ein Buch herausgebracht. Es heißt –warum auch immer - „Ein überdimensionales Meerschwein frisst die Erde auf“.

Sowas Dolles steckt da aber gar nicht dahinter. „Die Ärzte“ haben das Buch nicht mal selbst geschrieben, sondern „Ärzte“-Experte und „Ärzte“-Fanbetreuer Markus Karg. Farin, Bela und Rod heimsen trotzdem den Ruhm ein, unternehmen sogar eine Lesetour und kommen mit ihrem 500 Seiten dicken Buch im Großformat heute auch nach Bremen.

Eigentlich ist es nur eine stinknormale Band-Biografie, vielleicht etwas ausführlicher als andere. Vielleicht etwas größer, hochglänzender, bunter. Immerhin ist es die Band-Biografie der „Ärzte“. Eingefleischte Fans werden das Buch als ihre Bibel deklarieren. Da wird haarklein erklärt, wann, wo und wie Bela B. gesoffen hat, wann Farin in den Urlaub gefahren ist, wie die beiden systematisch ihre Bassisten verschleißen und sogar, wie der Abwasch in Farins und Belas kleiner Butze Anfang der 80er aussah.

Bela: „Einmal habe ich den Abwasch einen Tag in der Badewanne einweichen lassen. Danach musste ich mit einem Sieb die Pilze aus dem Wasser fischen.“

Farin: „Der Abwasch war kurz davor, ein demokratisches System zu gründen.“

Bela: „Ich hatte auf Drogen einmal die Vision, dass da Augen aus dem Abwaschwasser blinzeln.“

In diesem Stil erzählt Autor Markus Karg ausführlichst bis heute – angefangen bei Belas erster Band „Soilent Grün“ und der Zeit, als „Ärzte“-Platten auf den Index gesetzt wurden. Dazwischen viele, viele Fotos. Als halbherziger Ärzte-Fan kann man die Hälfte des Buches überfliegen – man verpasst nichts Essentielles – und sich dann einer interessanten Studie über Kleidung und Frisuren in den Achtzigern hingeben.

Was aber wirklich, echt, ehrlich, richtig spannend ist, sind die kleinen Geschichten am Rand. Zum Beispiel, wo der fiese Song „Elke“ („Ich aß ein bisschen Tofu, sie aß ein ganzes Schwein, die fette Elke“) seinen Ursprung hat: Diese Elke gab es nämlich wirklich, sie war angeblich monströs dick und hat die „Ärzte“ mit Anrufen bombardiert, bis diese ihr drohten, ein Lied zu schreiben, wenn sie nicht aufhöre. Sie konnte es nicht lassen, und das hat sie jetzt davon. Aus dem Abwasch-Erlebnis wurde übrigens auch ein Song: „Mein Abwasch lebt“. spo

Erschienen im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, kostet stolze 98 Mark. Wer die Ärzte live sehen will, sollte heute um 20 Uhr zur Lesung in den Cinestar Kristallpalast (Hans-Bredow-Straße 9) kommen. Der Kartenvorverkauf beginnt bereits um 13 Uhr

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