: Verbalrambo braucht Fingerspitzengefühl
Indonesiens Präsidentin Megawati besucht als erstes Staatsoberhaupt eines islamischen Landes seit den Anschlägen ihren Kollegen George W. Bush. Sie ist zu Hause mit einer wachsenden Radikalisierung islamischer Kräfte konfrontiert
BERLIN taz ■ Noch gestern wollte Indonesiens Präsidentin Megawati Sukarnoputri in Washington mit US-Präsident George W. Bush zusammentreffen. Sie ist die erste nichtwestliche Staatschefin, mit der Bush nach den Anschlägen vom 11. September zusammentrifft. Zugleich ist sie die Präsidentin des größten muslimischen Landes der Welt. Im multireligiösen Indonesien leben 190 Millionen Muslime, die 90 Prozent der Bevölkerung stellen.
Bei dem Treffen kann Bush zeigen, dass er mit dem Krieg gegen den Terrorismus keinen Krieg gegen den Islam meint und in der Lage ist, gemäßigte islamische Staaten in seine Koalition gegen den Terror einzubeziehen. Lässt er im Umgang mit der erst seit zwei Monaten amtierenden Megawati jedoch Fingerspitzengefühl vermissen, könnte er sie in eine schwierige Lage bringen und islamistische Strömungen in Indonesien stärken.
Die Nationalistin Megawati vertritt die in Indonesien dominante Form eines toleranten Islam. Doch sie steht einer Koalition vor, der islamische Parteien angehören. Die erwarten von ihr, dass sie mäßigend auf Bush einwirkt und ihm von vorschnellen Reaktionen abrät. Indonesiens Regierung hatte die Anschläge in den USA umgehend verurteilt. Für Aufsehen sorgte jedoch Vizepräsident Hamzah Haz. „Hoffentlich wird diese Tragödie die Sünden der Vereinigten Staaten reinwaschen“, sagte der Muslimpolitiker laut der größten Tageszeitung Kompas. Damit äußerte er implizit, die USA hätten die Angriffe verdient, die er ansonsten bedauerte.
Haz und seine Parteifreunde hatten noch vor zwei Jahren eine Präsidentschaft Megawatis abgelehnt, weil sie eine Frau ist. Erst als der dann gewählte gemäßigte Muslimführer Abdurrahman Wahid in Ungnade gefallen war und gestürzt werden sollte, akzeptierte der islamische Parteiblock Megawati. Sollte sie nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, könnte sie schnell wieder fallen gelassen werden.
Seit dem Sturz des Diktators Suharto 1998 radikalisiert sich ein Teil der islamischen Kräfte. Dies hängt mit sozialen Konflikten zusammen, die sich entlang ethnischer und religiöser Linien äußern und von radikalen Gruppen angeheizt werden. Eine der bekanntesten ist die „Laskar Jihad“ (Gotteskrieger), deren Kämpfer auf den Molukken-Inseln Christen jagen. Ihr Führer Jaffar Umar Thalib wurde nach eigenen Angaben in Afghanistan ausgebildet. Er bezeichnete die Attentäter vom 11. September als tapfere, heldenhafte junge Männer. SVEN HANSEN
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