: Jetzt noch Nein sagen wäre ein Aprilscherz
Hat der Bundestag einem Militäreinsatz wirklich zugestimmt? Noch lange nicht, versichern Grüne und SPD. Die Union weiß, dass sie gewonnen hat
BERLIN taz ■ „Der Beschluss ist kein Blankoscheck“, sagt Klaus Barthel. Der SPD-Abgeordnete hat vor kurzem noch als einer von 19 Abweichlern in der SPD-Fraktion einen Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr abgelehnt. Er habe am Mittwoch mit Ja gestimmt, denn der Beschluss des Bundestages bedeute keine Zustimmung zu einem deutschen Militäreinsatz an der Seite der USA. „Wir entscheiden heute über keine konkreten Maßnahmen“, sagt Barthel. Die grüne Parteichefin Claudia Roth teilt seine Sicht: „Ich würde das nicht als Vorabentscheidung begreifen.“
Roth und Barthel sollten vielleicht mit Peter Altmaier und Günter Nooke reden. Die beiden CDU-Abgeordneten stehen nach der Abstimmung in der Lobby vor dem Plenarsaal. „Damit ist entschieden worden, dass wir uns auch an militärischen Einsätzen beteiligen“, sagt Altmaier. „Die Grundentscheidung ist getroffen“, glaubt auch Fraktionskollege Nooke. Selbst wenn es natürlich noch einer weiteren Bundestagssitzung bedürfe, um über Art und Umfang der deutschen Beteiligung zu entscheiden: „Alles andere als Zustimmung zum Einsatz wäre ein Misstrauensantrag gegen den Kanzler.“ Andreas Schmidt (CDU) pflichtet bei: „Wenn die Amerikaner jetzt etwas anfordern, kann man nicht sagen: April, April – so haben wir’s nicht gemeint.“ Altmaier stellt fest: „Es gibt jetzt eine Selbstbindung der politischen Eliten in diesem Land.“ Der grüne Staatssekretär Matthias Berninger kontert verärgert: „Dieser Antrag wird niemanden in seiner Gewissensentscheidung festlegen – egal, was die Union sagt.“ Was die Abgeordneten gestern beschlossen, lässt sich nachlesen (siehe Kasten). Was sie jedoch damit meinten, ist selbst unter den Befürwortern des Beschlusses umstritten.
Die Unions-Fraktion hatte noch am Dienstagnachmittag eine Textänderung durchgesetzt: In den Beschluss wurde der Abschnitt aufgenommen, nach dem der Bundestag die politische und wirtschaftliche Unterstützung für die USA befürwortet, „sowie die Bereitstellung geeigneter militärischer Fähigkeiten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.“ Man müsse der Bevölkerung schließlich sagen, „dass es eine ernste Angelegenheit ist“, erklärt Paul Breuer (CDU) den Einschub. Im Übrigen habe Kanzler Schröder den USA bereits militärisches Engagement in Aussicht gestellt.
Vor allem bei SPD und Grünen mühten sich daraufhin die Fraktionsführungen, die Zahl der Nein-Stimmen mit einer weiteren Ergänzung im Text zu drücken: Über die militärischen Maßnahmen der Bundesrepublik sei „in eigener Verantwortung und gemäß der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entscheiden“, heißt es jetzt im Beschluss. Die grüne Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk, die sich bei der Abstimmung enthielt, spricht von Augenwischerei: „Wenn die USA entscheiden, dann haben wir keinen Spielraum für eigene Entscheidungen mehr.“ Der Wettbewerb um die Schlagzeilen war gestern ohnehin schnell entschieden. Die Nachrichtenagentur dpa meldete um 14.03 Uhr: „Bundestag bietet USA militärische Hilfe an.“
PATRIK SCHWARZ
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