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Morde im jüdischen Kulturhaus vor Gericht

Weltweiter Kampf gegen den Terror auch in argentinischem Gerichtssaal. Prozess wegen des Bombenanschlags auf das jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum 1994 in Buenos Aires beginnt. 20 Argentinier als Helfer angeklagt

BUENOS AIRES dpa ■ Der weltweite Kampf gegen den Terrorismus wird von diesem Montag an auch in einem Gerichtssaal in Buenos Aires ausgefochten. Dabei geht es um den verheerenden Bombenanschlag mutmaßlich muslimischer Terroristen auf das jüdische Kultur- und Gemeindezentrum Amia im Zentrum der Millionenmetropole. Rund 300 Kilogramm Sprengstoff hatten das mehrstöckige Gebäude am 18. Juli 1994 dem Erdboden gleich gemacht und 85 Menschen getötet sowie 300 verletzt. Die Behörden glauben, dass die Explosion von einer Autobombe ausging, die ähnlich konstruiert war wie jene, mit der im März 1992 die israelische Botschaft in Buenos Aires zerstört wurde.

Angeklagt sind insgesamt 20 Argentinier, die den bis heute unbekannten Attentätern bei dem mörderischen Anschlag geholfen haben sollen. In dem auf sechs Monate angelegten Verfahren sind 1.550 Zeugen geladen. Die Gerichtsakten umfassen 90.000 Seiten in 470 Ordnern. 200 Journalisten aus dem In- und Ausland sowie ausländische Beobachter vor allem aus Israel haben sich angemeldet. Nach der gewaltigen Detonation vor der Amia in der engen Pasteurstraße irrten Überlebende an jenem Julitag blutüberströmt durch die Straßen. Viele umliegende Gebäude waren schwer beschädigt. In den Trümmern suchten Rettungskräfte tagelang nach Opfern. „Der einzige Unterschied zu den Anschlägen in den USA ist ihr Ausmaß“, sagte Rechtsanwältin Marta Elsa Nercellas im Gespräch mit dpa.

Nach Einschätzung von Experten des FBI und des israelischen Geheimdienstes Mossad trug der Anschlag eindeutig die „Handschrift muslimischer Fundamentalisten“. Im Zentrum des Verdachts steht die von Iran gesteuerte Terrororganisation Hisbullah. In den Gerichtsakten findet sich auch der Name eines Mannes, gegen den im Zusammenhang mit den Anschlägen in den USA ermittelt wird.

Nercellas vertritt Angehörige der Opfer und die jüdische Dachorganisation Daia. Die Juden Argentiniens, unter denen es viele aus Nazi-Deutschland Vertriebene sowie Überlebende des Holocaust gibt, leben heute wie im Belagerungszustand hinter dicken Mauern. Im Falle eines Schuldspruchs müssen fünf der Angeklagten mit lebenslangen Haftstrafen rechnen. Es sind die Expolizisten Juan José Ribelli, Raul Ibarra und Anastasio Leal, der frühere Inspektor Mario Bareiro und der Autoschlosser Carlos Telleldin. Er soll das Bombenfahrzeug aus gestohlenen Fahrzeugen zusammengebaut und falsche Spuren gelegt haben. Den Expolizisten wird vorgeworfen, den Tätern das Bombenauto übergeben zu haben. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Die Kläger erhoffen sich von dem Verfahren außer Schuldsprüchen, dass der „Pakt des Schweigens“ zwischen den Angeklagten und ranghöheren argentinischen Komplizen sowie den Auftraggebern zerbricht. „Die Anschläge in den USA haben gezeigt, dass wir im Kampf gegen den Terror alle in einem Boot sitzen“, so Nercellas.

Der Prozess dürfte jedoch auch die Vertuschungsmanöver korrupter oder völlig überforderter Ermittlungsbeamter zu Tage fördern. Schon nach der Zerstörung der israelischen Botschaft in Buenos Aires durch eine Bombe 1992 hatte die Justiz unter dem damaligen Präsidenten Carlos Menem zunächst kaum ermittelt. Zeitweise waren nur ein Richter und acht Polizisten auf den Fall angesetzt.

Beweise wurden schlampig aufgenommen und damit entwertet, andere vernichtet und verdächtigte Polizisten vor Hausdurchsuchungen gewarnt. Ein- und Ausreiselisten waren angeblich von Mäusen zernagt und dann doch irgendwo in Zettelkästen archiviert. Wegen dieser Zustände und eines latenten Antisemitismus in Polizeikreisen gilt Argentinien als „weiches Ziel“ für Terroristen. „Daran hat sich bis heute nichts geändert“, warnt Nercellas.

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