In Israel droht eine Regierungskrise

Israelische Arbeitspartei droht nach Absage des Treffens Peres-Arafat durch Scharon mit Auszug aus der Regierungskoalition. Ultraorthodoxe und nationalistische Parteien drohen ihrerseits Scharon. Palästinenser verurteilen israelische Absage

JERUSALEM ■ dpa/rtr/taz In Israel bahnt sich eine schwere Koalitionskrise an. Nachdem Ministerpräsident Ariel Scharon Außenminister Schimon Peres am Sonntag auf Druck rechtsgerichteter Koalitionsparteien ein für den Nachmittag geplantes Treffen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat untersagt hatte, drohte die Arbeitspartei mit einem Austritt aus der Regierungskoalition. Noch am Sonntagnachmittag rief Peres die acht Minister der Partei zu einer Sondersitzung zusammen. Ein Beschluss wurde für den späten Abend erwartet. Unmittelbar nach der Entscheidung Scharons hatte Peres „ernsthafte Konsequenzen für die Regierungskoalition“ angekündigt. Industrieministerin Dalia Izik von der Arbeitspartei sagte dem Armeesender, alle acht Minister der Arbeitspartei würden „wie ein Mann“ die Koalition verlassen“. „Wenn Peres gedemütigt werden sollte, werden wir uns hinter Peres stellen“, so die Ministerin.

Nach Berichten des israelischen Rundfunks hatte Scharon zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem erklärt, er sei gegen das seit Wochen geplante Gespräch, weil die Palästinenser ihre Attacken im Gazastreifen fortsetzten. In der Nacht zum Sonntag war es zu kleineren Gefechten zwischen Palästinensern und der israelischen Armee gekommen. Palästinenser feuerten eine Mörsergranate auf eine israelische Siedlung im Gazastreifen und warfen Handgranaten gegen einen israelischen Militärposten. Südlich von Gaza drangen israelische Panzer kurzfristig auf autonomes Gebiet vor.

Am Sonntagmorgen hatten daraufhin drei rechte und ultra-orthodoxe Parteien mit dem Verlassen der Koalition gedroht, wenn Scharon das Treffen zulasse. Noch vor der Kabinettssitzung waren Wohnungsbauminister Nathan Scharansky und Innenminister Eli Yischai von der Schas-Partei bei Scharon vorstellig geworden, der ihnen nach Angaben der Jerusalem Post zusicherte, dass er ein Treffen zwischen Peres und Arafat nicht zulassen werde. Auch der rechtsradikale Tourismusminister Rehavam Ze’evi von der National-Union drohte mit einem Auszug seiner Partei aus der Regierungskoalition, sollte Peres Arafat dennoch treffen. Bei einem Austritt der Schas-Partei, die über 17 Sitze in der Knesset verfügt, und der National-Union, die gemeinsam mit der russischen Einwandererpartei Israel Beitenu über fünf Sitze verfügt, würde die Regierungskoalition ihre Mehrheit verlieren.

Arafat und Peres wollten sich am Nachmittag am Flughafen Gaza-Stadt treffen. Beide wollten dabei versuchen, die seit Dienstag weitgehend eingehaltene Feuerpause in eine dauerhafte Waffenruhe umzuwandeln. Die Waffenruhe soll den Weg zur Wiederaufnahme der Gespräche über den endgültigen Status der besetzten Gebiete öffnen. Beide Seiten hatten sogar schon eine gemeinsame Erklärung entworfen, in der die nächsten Schritte zur Beendigung des Konfliktes festgeschrieben waren.

Der palästinensische Informationsminister Jasser Abed Rabbo, der die Absage Scharons als „beispiellosen Schritt in der Geschichte politischer Beziehungen“ bezeichnete, hatte zuvor einige Punkte aufgelistet, die als Schlüssel für einen Erfolg des Treffens von Arafat und Peres angesehen wurden: ein Zeitplan für die Rückkehr zu Verhandlungen, Aufhebung der israelischen Blockade der palästinensischen Autonomiegebiete, Verzicht auf die Errichtung einer Pufferzone zwischen Israel und dem Westjordanland und Abzug Israels aus palästinensischen Einrichtungen in Ostjerusalem. GB