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Der Katalog der Grausamkeiten

Was CDU, FDP und Schill so aushecken: Differenzen in den Parteiprogrammen gibt es nur wenige  ■ Von Peter Ahrens

Mehr Polizei, eine harte Abschiebepolitik, der Verkauf öffentlicher Unternehmen – was der Rechtsblock von CDU, FDP und Schill will, hat er vorher schon laut und deutlich kundgetan. Obwohl die drei Partner unterschiedlich wirken, sind sie in vielen Positionen nah beisammen. Die FDP als offiziell liberale Kraft und die Schill-Partei als dezidiert rechte Gruppe haben programmatisch so viel gemein, dass man manchmal nicht erkennen kann, was von der FDP kommt und was von Schill.

Was auch daran liegt, dass Schill alle Themenbereiche außerhalb der Inneren Sicherheits-Demarkationslinie gnadenlos bei CDU und FDP abgeschrieben und aufgefüllt hat. Selbst mit fast 20 Prozent der Stimmen zeigt er sich an Themen wie Wirtschafts- oder Umweltpolitik komplett desinteressiert, so dass CDU und FDP dort keinen Widerstand für ihre Konzepte zu erwarten haben. Was droht der Stadt also unter den Rechtsbürgerlichen?

Innenpolitik: Das Thema, das den Wahlkampf bestimmt hat, das Thema, das den Wechsel herbeiführte. Hier beanspruchen alle drei Partner Kompetenz. Wenn die Regierungspartner ihre Ankündigungen umsetzen, wird in Hamburg künftig ein knallharter Kurs gefahren. Es steht fest: Es wird mindes-tens 400 neue Polizeistellen geben, das ist das Ziel, das Ole von Beust ausgegeben hat. Schill will 2000 neue PolizistInnen, das wird auch von der CDU als völlig unrealis-tisch und nicht bezahlbar bezeichnet. Die FDP würde mitmachen, auch in ihrem Programm wird „das Ende des Sparkurses bei der Polizei“ gefordert.

CDU und FDP sind sich mit Schill einig, Raster- und Schleierfahndung in Hamburg zu verschärfen, Datenschutzregelungen beim Verfassungsschutz auszuhebeln und die Videoüberwachung auszuweiten. Alle drei stehen für eine restriktive Flüchtlings- und Abschiebepolitik. Die Einrichtung geschlossener Heime für jugendliche StraftäterInnen wird auch von der FDP „als letztes Mittel“ mitgetragen.

Obwohl die Rote Flora mittlerweile nicht mehr in städtischem, sondern in Privatbesitz ist, hat die CDU „die sofortige Räumung und den Abriss“ des Autonomen Zent-rums als Ziel in ihrem Wahlprogramm. Schill plädiert ohnehin dafür, „alle Möglichkeiten auszuloten“, die Flora zu räumen. Auch die Bauwagenplätze werden geräumt, wenn Schill sich durchsetzt.

Das Sprühen von Graffitis wird schärfer verfolgt, Lockerungen im Maßregelvollzug werden abgeschafft. Die Polizeikommission wird ebenfalls abgewickelt, denn die Polizei brauche „Rückende-ckung von der Politik“.

Drogenpolitik: Alle drei Parteien stehen der kontrollierten Heroinabgabe an Abhängige zumindest nicht ablehnend gegenüber. Dass die FDP jedoch zusätzlich die Legalisierung weicher Drogen will, dürfte sie bei den anderen Partnern nicht durchsetzen können. CDU und Schill wollen schlicht „die Auflösung der offenen Drogenszene“. Um dieses Ziel zu erreichen, werden demnächst Maßnahmen wie Aufenthaltsverbote für DealerInnen und natürlich der Einsatz von Brechmitteln durchgesetzt. Das Handlungskonzept St. Georg des Noch-Innensenators Olaf Scholz (SPD) soll auf ganz Hamburg ausgeweitet werden, das ist fester Wille der CDU. Schill will darüber hinaus den Vorplatz des Hauptbahnhofes an die Bahn verpachten, „damit diese durch einen eigenen Sicherheitsdienst Bettler und Junkies entfernt“, wie es im Programm heißt. Er will darüber hinaus die Fixerstuben schließen lassen, „falls in deren Umfeld Drogenhandel und Verbrechen Vorschub geleistet wird“, eine Schließung lehnt die CDU ab.

Justiz: Noch so ein Schwerpunkt der Sicherheits-Fetischisten. Auch hier prescht Schill vor: Jugendarrest „mit unwirtlichen Einzelzellen“, Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre, Anhebung der Jugendstrafen – Forderungen, die er allerdings allein auf Landesebene nicht durchsetzen kann. Mit der FDP besteht Einigkeit über die Abschaffung der so genannten erlebnispädagogischen Reisen für straffällig gewordene Jugendliche und eine Beschleunigung der Strafverfahren. Die CDU ist mit dabei. Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen aufgestockt werden. Schill will den Knast in Neuengamme nicht verlegen, die CDU ist da anderer Ansicht.

Bildung: In diesem und den folgenden Bereichen hat Schill quasi nichts mehr zu sagen. Zwischen CDU und FDP gibt es allerdings auch nur wenige Meinungsverschiedenheiten. Bildung gilt beiden neben der Inneren Sicherheit als „Prioritätsbereich“: Hier soll nicht gespart werden. Die Schwerpunkte verschieben sich aber: Die Schulzeit wird auf 12 Jahre verkürzt. Für alle Kinder ab Schuljahr 3 soll es Notenzeugnisse geben. Die Hauptschulen werden gestärkt, das wird auf Kosten der Gesamtschulen gehen. 450 zusätzliche LehrerInnenstellen sollen geschaffen werden. Die CDU möchte Deutschkenntnisse als Voraussetzung für den Grundschulbesuch machen. In den Kindertagesstätten soll es daher ein Sprachtraining Deutsch geben. Wer bei der Einschulung durch die Sprachprüfung fällt, darf demnach nicht zur Grundschule. Das Privatschulgesetz des regierenden Senates wird „nachgebessert“, hat von Beust versprochen.

Die FDP will die staatlichen Universitäten in Stiftungen umwandeln und in privater Trägerschaft weiterführen. Die Unis sollen sich ihre Studierenden selbst aussuchen dürfen. Das Studium wird Geld kosten – in Form von Bildungsgutscheinen oder Studiengebühren. Das haben zumindest die Liberalen angekündigt.

Finanzpolitik: Ein Paradigmenwechsel deutet sich an: CDU und FDP setzen auf das Verkaufen öffentlicher Unternehmen, um mit dem Erlös Schulden abzubauen und zu investieren. So hält die CDU die Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA, den Flughafen, die Landesbank, die Staatliche Lotterie, die HADAG-Fährbetriebe und die Hamburg Messe für „veräußerungsfähig“. Pläne zum Verkauf der Saga- und GWG-Wohnungen hat die CDU bislang immer dementiert. Beim Privatisieren ist die FDP ohnehin immer vorneweg, da gibt es keine Differenzen.

Der Senat soll verkleinert werden – wie das bei drei Regierungspartnern funktionieren soll, ist unklar. Die FDP spricht von einem neunköpfigen Senat und hat konkrete Vorstellungen: Schule, Bildung, Wissenschaft und Sport werden zusammengefasst, ebenso Umwelt, Stadtentwicklung und Bau. Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Kultur bilden ein weiteres Mega-Ressort. Fest steht: Die BAGS wird von CDU und FDP als „unregierbar“ eingestuft und soll neu strukturiert werden.

Verkehr: Der dritte „Prioritätsbereich“ des Rechtsblocks. Die Poller als „Verkehrsschikanen“ verschwinden aus dem Stadtbild, der Autofahrer wird wieder zum politischen Hätschelkind. Stellplatzabgaben für Unternehmen werden abgeschafft. Die Autobahnpläne – Ausbau A 7, Bau der A 26 – werden vorangetrieben, die Hafenquerspange gebaut, Tempo-30-Bereiche eingeschränkt. Und: Der Transrapid nach Berlin wird wieder aus der Mottenkiste geholt.

Wirtschaftspolitik: Das Projekt Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven wird gestoppt, bevor es begonnen hat. Eine Film- und Fernsehakademie wird gegründet, das soll das Allheilmittel sein, um die Medienbranche in Hamburg zu halten. Die FDP möchte natürlich das Ladenschlussgesetz abschaffen und die Hamburgische Anstalt für Medien HAM schließen.

Sozialpolitik: Hier weht ein rauerer Wind. Für die FDP ist Sozialpolitik „eine Politik für die gesamte Gesellschaft und nicht ausschließlich die Sorge um Randgruppen“. Das heißt aus ihrer Sicht: Zurückfahren des „Übermaßes an staatlicher Fürsorge“. SozialhilfeempfängerInnen werden zu Eigenleistungen verpflichtet, ihre Daten werden zwischen Sozial-, Finanz- und Arbeitsämtern abgeglichen. Die CDU ist damit einverstanden.

Die Kita-Beiträge will die Union herunterfahren und auf „das Niveau vergleichbarer Großstädte anpassen“. Staatliche Einrichtungen der Jugendarbeit sollen in freie Trägerschaft umgewandelt werden. Die Fehlbelegungsabgabe für MieterInnen im sozialen Wohnungsbau soll verschwinden.

Umweltpolitik: Hier haben CDU und FDP nur wenig zu bieten, Schill gar nichts. Die CDU will auf jeden Fall das Verbandsklagerecht für Naturschutzverbände stoppen, das Rot-Grün in sein Naturschutzgesetz hineingeschrieben hat.

Frauenpolitik: Noch ein Stiefkind in den Programmen. Die CDU will die „Gewalt gegen Frauen eindämmen“ und darauf hinwirken, „dass Frauen sich vermehrt für moderne technische Berufsfelder entscheiden“. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht bei der CDU auch unter der Überschrift Frauenpolitik.

Kultur: Hier hat die CDU schon vor der Wahl eine Rolle rückwärts gemacht. War von Beust erst für die Abschaffung des Kulturressorts im Senat, hat er dies nach massivem Widerspruch aus der Kulturszene wieder revidiert.

Olympia: Alle sind dafür.

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