: Bereit zum heiligen Krieg
Taliban mobilisieren angeblich 300.000 Kämpfer zum Dschihad. Bin Laden meldet sich bei Fernsehsender. Pakistan zieht Diplomaten aus Kabul ab. UNHCR erwartet Massenflucht
KABUL/ISLAMABAD afp/taz ■ Die afghanische Taliban-Miliz rüstet sich zum „heiligen Krieg“ gegen die USA. Die Taliban mobilisierten am Montag nach eigenen Angaben 300.000 zusätzliche Kämpfer für den Dschihad gegen die Vereinigten Staaten. Außerdem besetzten Taliban-Kämpfer die Büros der UNO in Kandahar. Pakistan zog aus Vorsicht seine Diplomaten aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ab.
Wegen der „aktuellen Situation“ habe er entschieden, 300.000 zusätzliche „erfahrene Dschihad-Kämpfer“ einzuberufen, sagte der Taliban-Verteidigungsminister Mullah Abaidullah in Kabul. Sie seien in der Hauptstadt, an den Grenzen und an anderen „wichtigen Punkten“ mobilisiert worden. Die Taliban hätten die gesamte Nation angewiesen, sich auf den „heiligen Krieg“ vorzubereiten. Hunderttausende Afghanen seien bereit zum Kampf.
Härtere Töne schlug auch Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar an. Amerika solle sich nichts vormachen, hieß es in einer in Kandahar verbreiteten Erklärung. Weder ein Mord an Bin Laden noch an ihm selbst würden die USA aus der Krise befreien. Zugleich forderte Omar eine Änderung der Nahost-Politik der USA und ein Ende der „palästinenserfeindlichen“ Haltung. Andernfalls würden die USA einem „blutigen Krieg“ entgegensehen.
Zugleich räumte ein Taliban-Sprecher in Kabul ein, dass die „Nord-Allianz“, die gegen das Regime in Kabul kämpft, Geländegewinne im Nordosten des Landes erzielen konnte. Nach unbestätigten Berichten stehen die Anti-Taliban-Kämpfer jetzt nur noch 30 Kilometer vor der strategisch wichtigen Stadt Masar-e Scharif. Auch im Panschir-Tal, 70 Kilometer nördlich von Kabul, kam es zu schweren Mörser- und Artilleriegefechten.
Ohne Erfolg blieb bislang die offizielle Suche der Taliban nach Ussama Bin Laden. „Ich weiß nicht genau, wo er ist“, sagte Taliban-Botschafter Abdul Salam Saif in Islamabad. Die Taliban wüssten nicht, ob er noch in Afghanistan sei und sich verstecke. Dagegen berichtete der arabische Fernsehsender Al-Dschazirah gestern von einem Aufruf Bin Ladens zum „heiligen Krieg“: „Wir rufen unsere Muslim-Brüder in Pakistan dazu auf, mit all ihren Fähigkeiten die amerikanischen Kreuzfahrer davon abzuhalten, in Pakistan und Afghanistan einzufallen. Ich versichere euch, geliebte Brüder, dass wir entschlossen sind auf dem Weg des Dschihad im Namen Gottes“, sagte Bin Laden nach einer vom Sender zitierten Erklärung. Die Nachrichtenagentur Itar-Tass meldete unter Berufung auf Geheimdienstexperten, Bin Laden halte sich nahe der Stadt Dschalalabad östlich von Kabul versteckt. Die USA hatten die Taliban-Behauptung bereits am Sonntag zurückgewiesen. US-Außenminister Colin Powell kündigte an, Washington werde Beweise dafür vorlegen, dass Bin Laden in die Terroranschläge in den USA verwickelt sei.
Angesichts drohender US-Angriffe bereitet sich das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR auf ein „massives“ Flüchtlingsdrama“ an den Grenzen zu Pakistan und Iran vor. Noch nie in der Geschichte der Organisation sei vor einem drohenden Konflikt eine derart große Operation vorbereitet worden, teilte ein Sprecher der Organisation am Montag in Islamabad mit. Derzeit würde Hilfsmaterial für hunderttausende Menschen nach Pakistan gebracht. Die Lage in Afghanistan sei so dramatisch, dass eine weitere Verschlimmerung eine „massive Krise“ zur Folge haben werde. Örtliche Behörden und Hilfsorganisationen rechneten mit der Ankunft von rund einer Million Menschen allein in Pakistan und 300.000 weiteren Flüchtlingen in Iran. Auch innerhalb Afghanistans sollen mehrere hunderttausend Menschen auf der Flucht sein. Am Wochenende hatten die Taliban alle UN-Büros in Afghanistan besetzt und alle Leitungen gekappt. Eine Sprecherin sagte am Montag, jeder Kontakt mit dem Ausland könne die Mitarbeiter in Lebensgefahr bringen. GB
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