: „Hair“ bisher nur bis Ende 2001 eingebucht
Das neue Bremer Musical Hair hat in der lokalen Presse einen guten Start gehabt. Dennoch gibt es hinter vorgehaltener Hand skeptische Fragen. Schon ein Blick in den Pressespiegel, den die Hair-Betreiber selbst ins Internet gestellt haben (www.musical-theater-bremen.de), zeigt das Problem: Überregional wurde der Bremer Hair-Start nicht wahrgenommen. Da stehen neben den Bremer Referenzen diverse lobende Zitate vor allem aus österreichischen Zeitungen ohne Datumsangabe – ein zweiter Blick auf den Pressespiegel von www.musicavienna.at zeigt: Das war die Resonanz auf die Premiere in Wien im März, mit der sich das Bremer Musical meint schmücken zu müssen.
Vor allem mit der Attraktivität für Touristen rechnet die Bremer Wirtschaftsförderung aber, in Bussen sollen die Besucher zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen kommen und in Bremen dann auch übernachten. Aber im WAZ-Archiv findet man unter dem Suchwort „Hair“ nur einen Bericht über den Probstei-Chor in der Lokalausgabe des Städtchens Buer, kein Wort über Bremen.
Reiseveranstalter hätten ein zusätzliches Problem, wenn sie mehrtägige Städtetouren mit Hair planen wollen: Karten gibt es für Hair in Bremen nur für Aufführungen bis 31. Dezember 2001. Auch die Bremer Touristik-Zentrale wirbt für Hair ausdrücklich „bis 31.12.2001“. Die Aufführungen im kommenden Jahr seien wegen der Geld-Umstellung auf den Euro noch nicht zu buchen, heißt es bei der Vorverkaufsstelle des Bremer Ticket-Service-Center (TSC), das Hair verkaufen soll.
Hair scheint das einzige Musical, das derartige Probleme mit dem Euro hat. Karten für Das Phantom der Oper in der Glocke am 20.1.2002 kann man selbstverständlich buchen. Das Musical König Ludwig in Füssen ist bis zum 31.3.2002 zu buchen, das Hair-Musical in Wien kann man auch online schon für den 29.6.2002 buchen.
Wenn das Argument mit dem Euro aber keines ist, dann drängen sich Spekulationen auf. Denn der Vorverkauf läuft schlechter als bei Jekyll&Hyde. Könnte es sein, dass der Veranstalter kein Risiko mit Schadensersatzansprüchen eingehen will und es sich offen halten will, wie lange Hair gespielt wird? Eine vertragliche Verpflichtung, das Musical ein volles Jahr lang zu spielen, gibt es jedenfalls nicht.
Als vor einem Jahr mit einer staatlichen Liquiditätshilfe von 12 Millionen Mark Jekyll&Hyde vor dem Konkurs gerettet wurde, sollte eine überregionale Werbekampagne Jekyll&Hyde bis Dezember 2001 auslasten.
Im Frühjahr 2001 mussten die Bremer Wirtschaftspolitiker dann einräumen: Trotz erheblicher Werbe-Ausgaben konnten die Touristen nicht überzeugt werden: „trotz intensiven Marketings das Umsatzziel pro Monat deutlich verfehlt“. Plötzlich erkannte der geldgebende Wirtschaftssenator einen „tiefgreifenden Strukturwandel auf dem deutschsprachigen Musicalmarkt“, Jekyll&Hyde kurzfristig abgesetzt.
Der neue Betreiber des Musical-Theaters am Richtweg, im wesentlichen die KPS-Gruppe, wurde daher nicht mehr zur Veranstaltung von Bremer Musical-Produktionen verpflichtet, wenn Hair nicht wie annonciert bis Ende Juni 2002 „läuft“, steht dem Veranstalter Schulenberg ein Saal mit staatlicher Risiko-Abfederung zur Verfügung: Auch für ein Musical-freies „touristisch relevantes Veranstaltungsprogramm“ gelten die indirekten Subvention, die für das Musical-Theater vereinbart waren, weiter: Bei einer Auslastung von 70 Prozent zahlt das Land 1,73 Millionen Mark Zuschuss im Jahr, bei einer geringeren Auslastung wird die Miete zusätzlich deutlich reduziert. Der Kapitaldienst für den Umbau der Spielstätte kostet pro Jahr 4,4 Millionen Mark, die Betreibergesellschaft von Jekyll&Hyde hatte für das Jahr 2000 nur 1,3 Millionen Mark „Deckungsbeitrag“ zahlen müssen.
In Zukunft könnte also nicht nur das Phantom der Oper der Glocke abgeworben werden, auch Pop-Veranstaltungen, für die bisher die teure Miete der Glocke bezahlt werden musste, könnten am Richtweg stattfinden. Bei derartigen Konditionen liegt es auf der Hand, dass der Veranstalter des Hair keine Verpflichtungen für 2002 eingehen muss, solange sie ein unüberschaubares Risiko bedeuten würden. Klaus Wolschner
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