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Mal dick, mal dünn, mal gestrichelt

Berlin hat einen neuen Fahrrad-Stadtplan. Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs haben die Strecken getestet. Durchgezogene rote Linien bedeuten gut. Bei Punkten ist Vorsicht angesagt. Und in der Handhabung ist er etwas unpraktisch

Auf den gestrichelten Linien gibt es viele Konflikte mit Fußgängern

von PLUTONIA PLARRE

Auf den Tag hatten die Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) lange hingearbeitet. Besser gesagt in die Pedale getreten. 5.000 Kilometer Straße und 3.000 Kilometer Wald- und Sandwege hatten sie mit ihren Velos in den letzen Wochen und Monaten auf Fahrradtauglichkeit getestet.

Seit gestern liegt das Ergebnis vor. Ein Fahrrad-Stadtplan für Berlin im Maßstab 1:30.000. Die ersten Exemplare stellte der ADFC gestern in seinem Infoladen in der Brunnenstraße im Beisein von Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) vor. Die Startauflage von 15.000 Expemplaren zum Preis von 12,80 Mark wird ab Anfang Oktober im Buchhandel erhältlich sein.

Vom Umfang und Format her sieht der Fahrradplan aus wie ein ganz normaler Stadtplan. Die Kartengrundlage allerdings ist in dezenteren Farben gehalten als sonst üblich. Umso mehr springen die roten Linien ins Auge, die sich mal dick, mal dünn, mal gestrichelt oder gepunktet durchs Berliner Straßennetz ziehen. Durchgezogene dicke und dünne Linien heißen: Straße oder Radweg, für Radfahrer gut geeignet. Die Striche und Punkte auf der Karte dagegen bedeuten nichts Gutes, obwohl damit zum Teil auch Radwege gemeint sind. „Wir haben zum Bespiel da gestrichelt, wo viele Unfälle passieren“, erklärte gestern Alexander Hunger, der für den ADFC das Fahrrad-Stadtplan-Projekt geleitet hat. Es handelt sich um Radwege, an denen Radfahrer häufig von Rechtsabbiegern übersehen werden, weil parkende Autos und Büsche die Sicht verstellen. Auch der Radweg an der Frankfurter Allee entlang der Einkaufsstraße sei gestrichelt, „weil es dort so viele Konflikte mit Fußgängern gibt“, sagt Hunger.

Busspuren, Bürgersteige, Kopfsteinpflaster, Treppen und sonstige Hindernisse, gestummelte Radwege und Lückenschlüsse – fast alles ist von den Velostrecken-Prüfern bewertet worden. Vor besonders unübersichtlichen Knotenpunkten wie dem Rosenthaler Platz oder dem Hermannplatz wird auf der Karte in Form eines hellblauen Dreiecks gewarnt. „Hier muss der Radfahrer sehen, dass er rüberkommt, ohne gegen sämtliche Regeln zu verstoßen“, so Hunger. Aber es gibt auch Glanzstücke im Berliner Radwegesystem. Dazu gehört das Veloroutennetz von derzeit 60 Kilometern – 660 sollen es einmal werden –, die sich als grün gestrichelte Linie über den Plan schlängeln.

Sehr handlich mutet die Karte, die nur entsprechend gefaltet unter die Klarsichtfolie der Lenkertaschen passt, nicht gerade an. Dass sich viele einheimische Radfahrer im tosenden Verkehr oder strömenden Regen mit dem Knicken des Planwerks herumquälen, ist schwer vorstellbar. Aber Touristen und Neu-Berliner sehen das vielleicht anders. Vor allem von Ex-Bonnern habe man nach dem Regierungsumzug Druck bekommen, einen Berliner Fahrrad-Stadtplan herauszugeben, sagte der Vorsitzende des ADFC, Michael Föge, gestern. Verkehrssenator Peter Strieder pflichtete bei: Nicht nur die einfachen Mitarbeiter der Bundesministerien, auch hohe Ministerialbeamte setzten lieber auf das Zweirad als auf den Fahrdienst mit Chauffeur. Aber auch von Berlin-Touristen, die die Stadt auf dem Velo erkunden wollen, gebe es im Infoladen eine starke Nachfrage, erzählt ein ADFC Mitglied.

Die Idee, einen Berliner Fahrrad-Stadtplan herauszugeben, ist nicht neu. Schon 1994 und 1996 hat der ADFC eine entsprechende Karte vertrieben. Bei dem nunmehr vorliegenden Plan handele es sich um eine vollkommen überarbeitete Ausgabe, war gestern zu erfahren. Der alte Plan sei „zu überfrachtet“ gewesenwar, um benutzerfreundlich zu sein. Eines hätten beide Stadtpläne allerdings gemein, freute sich Michael Föge. Damals wie heute habe Peter Strieder an der Erstpräsentation teilgenommen. Damals sei Strieder in seiner Eigenschaft als Umwelt- und Stadtentwicklungssenator gekommen, weil der für die Fahrradpolitik zuständige CDU-Verkehrssenator sein Kommen verweigert habe. Dass Strieder nach der Übernahme des Verkehrsressorts 1999 mehr für den Fahrradverkehr in Berlin getan hat als alle seine Vorgänger von der CDU zusammen, wird ihm vom ADFC hoch angerechnet. Er ernannte den ADFC-Vorsitzenden Föge zum ehrenamtlichen Fahrradbeauftragten des Senats. Erstmals wurde zur Förderung des Radverkehrs ein eigener Haushaltstitel geschaffen. 2000 waren es 3 Millionen und in diesem Jahr 5 Millionen Mark. Ob es 2002 wie vorgesehen 10 Millionen werden, ist allerdings fraglich. „Ich bin optimistisch, aber noch nicht sicher“, lautete gestern Strieders Antwort.

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