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Wo laufen Sie denn?

Ein übersichtlich gegliederter Special-Interest-Guide für die Fans des Marathonlaufs mit über 100 Zielen weltweit, Daten und Terminen: Auf den Spuren Jesu um den See Genezareth oder auf dem Sibirien International durch Omsk

Den Buchdeckel zieren eine Menge Laufmenschen in kurzen Hosen und Hemden, die im Hintergrund des Bildes zu einer breiigen Masse verschwimmen. Ein Banner „New York City Marathon Mile 16“ überspannt die Straßenschlucht. Die 42,195 Kilometer durch den Big Apple gehören zu Recht ganz nach vorn: Denn erstens beruht „Der Marathonreiseführer“ auf der US-amerikanischen Originalausgabe „The ultimate guide to international marathons“. Zweitens ist der Andrang nirgendwo so groß wie hier: Jedes Jahr bewerben sich 100.000 Läufer um 30.000 Startplätze. Und drittens ist der New-York-Marathon vor London und Berlin das attraktivste Langstrecken-Reiseziel überhaupt. Er ist das Maß aller Marathons, an seinen 100 Punkten in der Gesamtwertung müssen sich die anderen Austragungsorte messen lassen, stellen die beiden lauferprobten Autoren Dennis Craythorn und Rich Hanna fest.

Der übersichtlich gegliederte Special Interest Guide enthält nicht nur die wettkampfrelevanten Daten wie Termine, Adressen und Startgelder, sondern auch Infos zum Rahmenprogramm, zur Lauflogistik (Umkleiden, Toiletten, medizinische Services) und zu Unterkünften. Die Rubrik „Touristische Attraktionen“ fällt allerdings knapp und allgemein aus und dient nur alibihaft den Mitreisenden, die nicht nur Klatschvieh am Straßenrand sein wollen, sondern auch Shopping und Nachtleben genießen möchten.

Die Marathonis – und das werden immer mehr (auch beim Berlin-Marathon sind 30.000 Läufer das Limit) – können sich laufend die Welt erobern und haben dabei die Qual der Wahl zwischen gepflegter Urbanität bei den Cityläufen wie New York, London und Paris, grandiosen Bergpanoramen wie auf der Schweizer Jungfrau und dem Mount Everest Challenge durchs indische Hochgebirge oder ländlichen Idyllen wie dem Val de Loire oder der „Route du Vin“ durch die luxemburgischen Weinberge.

Für den Marathonreiseführer wurden 100 Laufstrecken weltweit getestet: Die Palette reicht von Walt Disney World, wo Mickey Mouse persönlich den Starschuss gibt, über den Sibirien International durch Omsk mit vielen, vielen Lenin-Denkmälern bis nach Tiberias auf den Spuren Jesu um den See Genezareth, vom gnadenlosen Mount-Fuji-Kletterlauf, wo das Ziel nach gut 3.000 Höhenmetern, uff, auf dem 3.776 hohen Gipfel lockt, bis zum Panama Ultra, in einer Nacht vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean. Ausgerechnet der Athen-Marathon, also der Klassiker und Namensgeber, rangiert auf der Bewertungsskala gemeinsam mit den Läufen von Panama und Bukarest ganz hinten: Zwar folgt die Strecke fast genau dem Weg des Boten, der die Nachricht vom Sieg der Athener über die Perser überbrachte, zusammenbrach und starb. Aber vom Schlachtfeld bei Marathon bis ins Olympiastadion in Athen geht es für die Marathonis überwiegend durch öde, landwirtschaftlich genutzte Gebiete. Dann doch lieber auf den Spuren von Joschka durch New York rennen.

„Es gibt viel mehr abzulaufen und zu erleben als die Marathonstrecke. Saugen Sie die Schönheit und Einzigartigkeit der Örtlichkeiten in sich auf. Besuchen Sie die Museen. Genießen Sie die Landschaften“, schreiben die beiden Autoren im Vorwort. Wer diesen Laufschmöker durchstöbert, ein bisschen was in den Waden hat und sich in schwitzenden Großgruppen wohl fühlt, der könnte auf die verlockende Idee kommen, seine künftige Urlaubsplanung auf den Terminkalender der Marathons dieser Welt abzustimmen. GÜNTER ERMLICH

Dennis Craythorn, Rich Hanna: „Der Marathonreiseführer. Die schönsten Marathonziele der Welt“. Verlag TitibaPress. Mülheim an der Ruhr, 356 Seiten, 39,80 DM

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