piwik no script img

„Ich bin der Bär. Alle lieben mich“

Hertha BSC hat am Samstag 3:0 gegen den 1. FC Köln gewonnen. Trainer Jürgen Röber spricht von einem Schritt in die richtige Richtung. Doch das Hertha-Maskottchen, ein Knuddelbär, macht sich so seine eigenen Gedanken. Auch über den Trainer

aufgezeichnet von MARKUS VÖLKER

Ich bin der Bär. Als mein Freund Micha Preetz das dritte Tor geschossen hat, hätte ich fast den Lachs ausgekotzt, den mir Pressesprecher Hansi Felder vorher überlassen hat. So sehr habe ich mich über den Treffer gefreut. Ich bin gesprungen und gehüpft. Gut geht das nicht, denn ich bin sehr dick. Ich schiebe eine ganz schöne Wampe vor mir her. Aber das mögen die Hertha-Fans. Das macht mich noch knuddeliger.

Alle lieben mich. Am Samstag hatte ich den Sonderauftrag, die Zuschauer im Olympiastdion gut drauf zu bringen, weil die schmollten zuletzt immer. Hertha ging es nicht so gut. Aber jetzt lachen wieder alle. Meine Mannschaft hat 3:0 gegen Köln gewonnen.

Wichtig ist, dass ich den Menschen Freude bringe. Deswegen habe ich mir auch so ein verwegenes Bärtchen in blau-weiß am Kinn stehen lassen, von meiner Tolle in den gleichen Farben ganz zu schweigen. Nach dem Spiel habe ich – ich trage die Nummer 92 – meinen Freund mit der 33 gedrückt. Das ist Marko Rehmer, der Nationalspieler. „Du hast tierisch gut gespielt“, habe ich ihm gesagt, und er hat geantwortet: „Is schon gut, Dicker!“

Wahnsinn, der Typ. Genauso nett wie mein brasilianischer Freund Marcelinho, der heißt echt fast wie ich. Der hat zwei Supertore geschossen und eins vorgelegt, ich mein, den Pass. Es war so verdammt brasilianisch, dieser Tag. Auch in der Halbzeit, als mein neuer Song präsentiert wurde. Die brasilianischen Tänzerinnen neben mir hatten fast nichts an. Unglaublich. Schade, dass ich so dick angezogen bin und keine Chance bei den Frauen hab. Dafür umso mehr bei Kindern, Hertha-Spielern und Trainer Jürgi Röber.

Ich bleibe immer so lange im Stadion, dass ich auch noch die Pressekonferenz nach dem Spiel angucken kann, auf der riesigen Videotafel. Jürgi sagte, dass Hertha die Kurve gekriegt hat. Er sagte auch, der Sieg sei ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Vor Freude gehopst bin ich, als er meinte, nun nähmen ihn die Fans wieder in die Arme. Gott sei Dank: Keine Pfiffe mehr und schlimme „Röber raus!“-Rufe. Sowas sticht mir immer tief ins Herz. Jürgi, du weißt, in meine kuschelweichen Pranken kannst du immer kommen!

Manchmal schmiegt sich auch Manager Dieter Hoeneß an mich. Ganz selten. Er muss eben viel mehr Würde zeigen als ich. Der hat also gesagt, man dürfe den klaren Sieg nicht überbewerten. Der ist immer so vorsichtig oder, wie sagt man, diplomatisch-professionell. Der Trainer aus Köln, der Ewald Lienen, war ziemlich enttäuscht. Auch wenn ich von Hertha bezahlt werde, am liebsten wäre mir ein Unentschieden gewesen. Da sieht man keine traurigen Gesichter.

Der Lienen also hat Folgendes gesagt: „Wir haben vom Ergebnis klar verloren, aber das gaukelt etwas Falsches vor. Es war ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen.“ Und dann wurde er richtig zickig, als ein Journalist nach Problemen fragte. „Es ist sehr interessant, dass ausgerechnet aus der Ecke die Frage nach Problemen kommt, in der sie gemacht werden.“ In der Presse nämlich. „Wir bereiten uns nur auf den Sport vor, sonst nichts“, sagte der Lienen. Hennes hat mir verraten, dass es fatal wäre, ihm von unseren Sauftouren zu erzählen. Hennes sagt, Lienen sei ein Asket. Was ist ein Asket?

Ich weiß nur, dass ich in drei Wochen wieder ganz lustig sein muss. Unter uns: Ich habe langsam die Schnauze voll vom Lustigsein und dem albernen Halligalli im Stadion. Außerdem schert es mich einen Dreck, wie der Fußballklub Hertha BSC spielt. Ich will ab jetzt nur noch ernst sein. Fuck Hertha!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen