: Zur Friedensdemo links abbiegen
Steigt die Basis den Grünen aufs Dach, weil sie Militäreinsätze gegen den Terror billigen? In Köln jedenfalls nicht: Die Grünen und die Friedensbewegung, das ist längst nicht mehr dieselbe Veranstaltung. Eine Mitgliederversammlung in unsicheren Zeiten
aus Köln PASCAL BEUCKER
Kein Räumchen in irgendeinem Bürgerzentrum, nein, ein großer Sitzungssaal mit erhöhtem Podium wurde gemietet. Das Ambiente erinnere ihn eher an eine UN-Konferenz als an eine Mitgliederversammlung, sagt ein Grüner vor der Tür leicht spöttisch. Im „Saal Rhein“ des Landschaftsverbands Rheinland in Köln-Deutz haben sich am Freitagabend die Kölner Grünen getroffen, um über die „Terrorschläge auf die USA, die Maßnahmen der USA und der Nato und die Auswirkungen auf die Innenpolitik in Deutschland“ zu diskutieren. Auch die Kölner Bundestagsabgeordneten Volker Beck und Kerstin Müller sind dabei, um sich der Basis zu stellen.
Und nur ihr. Denn der Vorstand des mit fast 700 Mitgliedern größten grünen Kreisverbandes der Republik hat vorgesorgt. Entgegen sonstigen Gepflogenheiten ist die Versammlung nicht öffentlich. Nur Pressevertreter sind zugelassen. Man habe möglicher Proteste von Friedensaktivisten vorbeugen wollen, heißt es intern zur Begründung.
Wird die Basis die Haltung ihrer Führung mittragen, die mögliche Militäreinsätze der Bundeswehr nicht ausschließen will? Erst eine Woche zuvor hatte sich der Landesparteirat der nordrhein-westfälischen Grünen eindeutig dagegen ausgesprochen und so Spekulationen über einen möglichen Aufstand der Basis Nahrung gegeben. Kerstin Müller ist zuversichtlich: „Die Grünen stehen nicht vor einer Zerreißprobe“, sagt sie betont kämpferisch. Zumindest für diesen Abend wird sie Recht behalten. Unemotional, beinahe einschläfernd wird diskutiert. Die meisten Anwesenden unterstützen den Kurs der Bundestagsfraktion, auch wenn ihnen die Unsicherheit über das, was noch kommen wird, deutlich anzumerken ist. „Die Pazifisten sind ja nicht mehr da“, sagt frustriert eine der wenigen, die sich gegen einen Militäreinsatz ausspricht. Während die Treffen zum Kosovokrieg vor zweieinhalb Jahren noch überfüllt waren, haben sich heute nur knapp sechzig Domstadt-Grüne eingefunden.
Die grünen Kriegsgegner von einst sind heute woanders. Die Mitgliederversammlung hat schon begonnen, da findet am Chlodwigplatz noch die Abschlusskundgebung des „Kölner Aktionsbündnisses gegen Krieg und Rassismus“ statt. Mit altbekannten grünen Gesichtern: Viele Mitglieder des „Arbeitskreis Frieden“ des Kölner Kreisverbandes sind gekommen – sie sind bereits allesamt während des Kosovokrieges bei den Grünen ausgetreten. Seitdem gibt es den Arbeitskreis nicht mehr. Auch die Moderation der Kundgebung hat eine Ex-Grüne übernommen: Anne Schulz, in den 80er-Jahren im grünen Bundesvorstand, heute Aktivistin der Kölner Friedensinitiative „Pax an!“.
Die Kölner Grünen hatten sich dem Aufruf zu der Demonstration nicht angeschlossen, heißt es dort doch: Bundesregierung und Bundestag sollten „jede militärische und logistische Unterstützung des angekündigten Vergeltungsfeldzuges“ ablehnen. Das ist nicht Parteiposition. Trotzdem hat sich ein Grüner zu den Friedensbewegten verloren: Jamal Karsli. „Terror darf nicht mit Terror bekämpft werden“, ruft der Landtagsabgeordnete den knapp 1.500 Demonstranten entgegen. „Wir müssen aussteigen aus der Gewaltspirale“, fordert der muslimische Deutsche syrischer Herkunft unter Applaus. Den hätte er für solche Äußerungen auf der grünen Versammlung auf der anderen Rheinseite, in Deutz, wohl nicht bekommen.
Kriegsstimmung herrscht auch hier nicht. Die übergroße Mehrheit der Anwesenden unterstützt jedoch die Haltung ihrer Berliner Vertreter. Beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus müsse man den Terroristen auch den politischen und sozialen Nährboden entziehen, betont Müller. Aber die USA hätten ein Selbstverteidigungsrecht. An „begrenzten militärischen Aktionen“ könnte auch die Bundeswehr beteiligt sein. Allerdings, so beruhigt sie: „Wir haben keinen Blankoscheck für einen Militäreinsatz ausgestellt.“ Auch gelte für einem eventuellen Einsatz der Bundeswehr „in jedem Fall der Parlamentsvorbehalt“.
Nur vereinzelt werden kritische Stimmen laut. „Wenn wir jetzt über Militäreinsätze nachdenken, ist mir nicht nachvollziehbar, über was da abgestimmt werden soll“, kritisiert die Landtagsabgeordnete Marianne Hürten. Die „vage Erwartung, damit Terrorismus bekämpfen zu können“, reiche doch nicht für eine Zustimmung aus. Sie lehne jedenfalls einen militärischen Einsatz ab. „Meine Sorge ist, dass wir Komplize einer US-Politik, die nicht bei chirurgischen Eingriffen stehen bleibt, werden“, warnt der frühere Kreissprecher Stefan Peil. Aufgrund der Erfahrungen im Kosovokrieg habe er „das Vertrauen verloren in das, was die Nato tut“.
Für die Kölner Landtagsvizepräsidentin Edith Müller hingegen steht fest: „Es muss eine militärische Aktion geben, sonst fühle ich mich nicht mehr sicher.“ Auch sollte über „einen gezielten Einsatz der Vereinten Nationen“ nachgedacht werden, mit dem die Taliban-Regierung entmachtet und damit der Weg frei für politische Lösungen gemacht werden könnte. „Wir müssten eigentlich für ein UN-Protektorat in Afghanistan eintreten“, sagt sie. Die Mehrzahl im Saal nickt zustimmend. Gegen 22.30 Uhr zieht die Versammlung in die Kneipe zum Kölsch danach. Auch Beck und Müller sind dabei. Die Stimmung ist gelöst. Diese Basis macht keinen Aufstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen